Um die Ecke
Von Bernhard Studlar ab 3 Jahren
im Theatertreff & mobil
Premiere Donnerstag, 29.08.2024 / 11:00 Uhr im Theatertreff
Dauer: ca. 30 Minuten, keine Pause
Aufführungsrechte henschel SCHAUSPIEL Theaterverlag Berlin
A Dyana Maria Krupezki
B Moritz Rauch
Regie Pia Nüchterlein / Ausstattung Lisa Moro / Sounddesign Milena Gehrke
/ Dramaturgie Heike Seidler / Regieassistenz Milena Gehrke / Technischer
Leiter Klaus Herrmann / Bühnenmeister Michael Bröckling / Einrichtung Licht
Marcus Krömer & Fabian Cornelsen / Programmierung Licht Laurin Steinhoff
/ Betreuung Licht Laurin Steinhoff & Viviane Wiegers / Betreuung Ton & mobil
Juri Zitzer / Requisite Annette Seidel-Rohlf & Sona Ahmadnia / Leitung
Kostümabteilung Claudia Schinke / Maske Ulla Bohnebeck & Henriette
Masmeier
Anfertigung der Kostüme und Dekorationen in den Werkstätten des Theater Paderborn.
Die große weite Welt und das Unbekannte können ganz schön groß und weit und
unbekannt sein. Das kann manchmal einschüchternd wirken – oder sogar ein
klitzekleines bisschen Angst machen. Aber wenn man zusammen Schritt für Schritt
mutig vorangeht, nur bis zur nächsten Ecke und von dort zur nächsten und zur
nächsten, kann man jede Menge entdecken, Abenteuer erleben und im Rückblick
feststellen, wie weit man es doch am Ende geschafft hat.
Bernhard Studlar (*1972) war Dramaturg und Regieassistent am Theater der Jugend
in Wien und studierte unter anderem Theaterwissenschaft, Publizistik und Szenisches
Schreiben. Heute lebt er in Wien und schreibt – mal allein, mal im Team mit Andreas
Sauter – Theaterstücke für junges, erwachsenes und ganz kleines Publikum.
Ausgezeichnet wurde er dafür unter anderem mit dem Autorenpreis des Heidelberger
Stückemarktes 2001 und dem Kleist-Förderpreis für junge Dramatikerinnen und
Dramatiker 2000.
Geboren 1972 in Wien. 1991–1996 Studium an der Universität Wien
(Theaterwissenschaft, Philosophie, Germanistik, Publizistik). 1995–1998 Dramaturg
und Regieassistent am Theater der Jugend in Wien. 1998–2002 Studium an der
Hochschule der Künste im Fach Szenisches Schreiben. 2005 gründete er zusammen
mit dem Regisseur Hans Escher die WIENER WORTSTAETTEN, ein interkulturelles
Theaterprojekt zur Förderung des Austauschs und der Vernetzung zwischen
österreichischen und internationalen Autorinnen und Autoren. Bernhard Studlar
schreibt Stücke als Einzelautor sowie im Autorenduo mit Andreas Sauter. 2001
Autorenpreis des Heidelberger Stückemarktes für sein Stück „Transdanubia
Dreaming“, das im Januar 2003 am Wiener Burgtheater uraufgeführt wurde. Das erste
mit Andreas Sauter gemeinsam verfasste Stück „A. ist eine andere“ wird 2000 mit
dem Kleist-Förderpreis für junge Dramatikerinnen und Dramatiker ausgezeichnet und
2004 als „Hörspiel des Jahres 2004“ der Stiftung Radio Basel. „All about Mary Long“
erhält den Preis für eine „Radikalkomödie“ vom Staatstheater Kassel (UA beim
Donaufestival 2004). Im Dezember 2003 Uraufführung von „Mariedl-Kantine“ am
Wiener Burgtheater.
2010–2015 schrieb Bernhard Studlar vier Stücke in Folge für das Theater Rabenhof
in Wien: „Human Being Parzival“, „Don Q“, „Die prima Stadtmusikanten – Rette sich,
wer kann!“ und „Robinson Crusoe“ sowie eine Trilogie von Kinderstücken mit den
Themen Raum („Um die Ecke“), Zeit („Bis später“) und Essen („Mahlzeit“). 2014
bearbeitete er den Roman „Nullzeit“ von Juli Zeh für das Theater Bonn, 2015 wurde
sein Stück „Die Ermüdeten oder Das Etwas, das wir sind“ am Schauspiel Leipzig
uraufgeführt, im März 2017 das Auftragswerk „Nacht ohne Sterne“ am Slowakischen
Nationaltheater in Bratislava. Bernhard Studlar lebt als freischaffender Autor in Wien.
Quelle: https://henschel-schauspiel.de/de/person/128 (zuletzt aufgerufen am 01.07.2024)
Kinder sehen sich in ihrer Entwicklung mit vielerlei Ängsten konfrontiert, die in ihrer
Unbestimmtheit für sie schwer zu fassen sind. Die Projektion dieser Ängste
(beispielsweise vor Dunkelheit, Trennung, Fremde etc.) auf Handlungssituationen und
mediale Figuren, die wie bspw. im Märchen in bipolaren Konstellationen agieren (Gut
und Böse), kann diese als konkrete Furcht erfahrbar machen. Die Kinder erleben
Erleichterung, da negative und angstbesetzte Rollen durch positive konnotierte
Figuren, mit welchen sie sich identifizieren, bestraft und damit ihrer bedrohlichen Kraft
beraubt werden. […] Am Ende siegt das Gute.
Hartung, Anja (2013): Hörmedien als Quelle kindlicher Selbst- und Welterfahrung. In:
Handbuch Kinder und Medien. S. Angela Tillmann (Hrsg.), Springer Verlag
Wiesbaden, S. 367.
Kristin Wardetzky hebt in der Einleitung zu den vorliegenden Untersuchungen hervor,
daß diese sich in erster Linie an Theaterleute wenden, weshalb eine gewisse
Einschränkung auf „empirische Ergebnisse“ notwendig gewesen sei. Doch diese
Ergebnisse sind derart aufschlußreich und reichen weit über rezeptives Verhalten von
Kindern dem Theater gegenüber hinaus, daß die Lektüre des vorliegenden Materials
nicht nur Fachleuten des Theaters, sondern vor allem auch Pädagogen, Soziologen,
Psychologen und allen interessierten Laien wärmstens zu empfehlen ist.
Untersucht wird […] wie Kinder […] sich „Theater aneignen“. Das reicht über sehr
differenziert dargestellte Aneignungs-Prozesse, die auf Beobachtung und Bewertung
von Vorgängen und Details zielen, über Probleme, die die Aneignung der Theaterfigur
betreffen bis hin zur „Aneignung der Ausstattung“. Unmöglich, diese außerordentlich
gründlichen, diffizilen und sensiblen Befragungen, Gespräche, Interviews usw. und
vor allem die so divergierenden, altersspezifisch bedingten Unterschiede in der
Bewertung auch nur annähernd hier wiedergegeben zu wollen. Deutlich wird –summa
summarum-, daß rezeptives Verhalten der Kunst (in diesem Fall dem Theater)
gegenüber, auch bei Kindern eng an ihre Realitätserfahrungen geknüpft ist, daß Kinder
Figuren, zu denen sie eine „mittlere“ Distanz“ einnehmen können, absolut bevorzugen
[…] .
Quelle: Wardetzky, Kristin (1984): Kinder im Theater. Material zum Theater Nr. 176, hgg. v. Verband
der Theaterschaffenden der DDR. In: Theater der Zeit. Heft 06/1984, Berlin, S. 75.
Was es wohl bedeutet, dass Millionen Zeitgenossen unserer Kinder in Deutschland –
und sie werden mit ihren chinesischen Altersgenossen in Zukunft viel zu tun haben –
schon in frühem Alter gelernt haben, viele Stunden am Tag von sich selbst abzusehen?
Mit dem eigenen Blick auf die Dinge und auf sich selbst, mit Introspektion kann man
sich in einer chinesischen Kinderkrippe nicht aufhalten. Die Lücke – Lücke aus unserer
Sicht – wird gefüllt durch die allgegenwärtige Energie der pädagogischen Umwelt.
Diese Energie ist übermächtig, und sie ruft eine ähnliche Energie auch in den Kindern
auf. Nicht zögern, nicht langsam werden, nicht zurückfallen! Dabei sein, mit lauter
Stimme in die Rezitation einstimmen, sich bei der Gymnastik im selben Tempo wie die
anderen Kindern bewegen, auch dabei kann man sich lebendig fühlen. Pausenlos
angefeuert von mächtigen Erwachsenen und von vielen anderen energisch bewegten
Kindern im Blickfeld. Die identische Form ausschneiden oder nachzeichnen, es
genauso machen wie alle anderen, möglichst noch ähnlicher der Schablone als der
Nachbar am Tisch … so wird ein kollektiver Habitus gegenüber den Dingen
angebahnt.
Wir dagegen möchten das Kind beim Lernen von den Dingen nicht nur als einen
Nachahmenden herausfordern. Und auch nicht allein in seinem „Denken“, sondern in
seinem ganzen Empfinden, in seinem „Erfassen“ in einem weiteren Sinn. Und uns
dabei offen halten für den individuellen Entwicklungsplan des Kindes: In welchen
Bereichen setzt es gerade seine Entwicklungsenergien ein, Motorik, Erforschen der
Umwelt, Sprache, Psychologie (theory of mind), und welche Bereiche sind ihm zurzeit
weniger wichtig?
In den Zeichnungen der jungen Kinder, die noch keine Zentralperspektive kennen
und sich nicht um maßstabsgetreue Proportionen bemühen, erscheinen uns Kinder
als Wesen, die von der Welt durchdrungen sind und die von vielen Seiten zugleich in
sie eindringen, ähnlich wie in der kubistischen Malerei. Das Welttheater scheinen die
Kinder nicht nur als Zuschauer von einem festen Platz aus zu beobachten. Sie wollen
immer zugleich auch auf der Bühne agieren, als Zuschauer und als Mitspieler in einer
Person. Dieses kognitive Kunststück erkennen wir in ihrem Spiel an ihren
Regieanweisungen, wenn sie die Dinge im Konditional des Als-ob beschreiben („Das
wäre mein Lift …. Und das wäre dein Schlitten…“).
Die Dinge blicken zu den Kindern zurück. Auch die holländischen Maler der Stillleben
im 17. Jahrhundert wurden vielleicht so von den Dingen angeschaut, von dem irdenen
Teller unter der üppigen Last der frischen Früchte, dem fein geschliffenen kühlen Glas
auf der unebenen Oberfläche eines massiven Holztisches. Im 20. Jahrhundert der
Maler Giorgio Morandi von seinen wesenhaften Flaschen und Gefäßen. Und
manchmal beschreiben die Maler und Bildhauer es selbst ausdrücklich so. „Jedes
Stillleben ist eine Weltanschauung“, sagt der Fotograf Josef Sudek. Auch Kinder
scheinen dieses Bedürfnis nach Stillleben, dem ästhetischen Zusammenspiel der
Dinge zu kennen. Manchmal sehen wir sie im Schwimmbad innehalten und ihre
Schwimmflügel, die Sonnencreme, den Kamm und einen Apfel auf dem Badelaken
arrangieren wie ein Stillleben, um dann das Ensemble nachdenklich mit schräg
geneigtem Kopf zu betrachten. „Das Kleine macht den Betrachter groß“, sagen die
Objektkünstler Jörg Baesecke und Hedwig Rost. […]
Für die Erwachsenen kann das „künstlerische“ und „poetische“ Verhältnis zu den
Dingen das Zusammensein mit Kindern oft anstrengend machen. Nicht nur die Kinder
leben „in ihrer Welt“. Auch wir leben in unserer Welt. Der aus unserer Sicht
sprunghafte, diskontinuierliche Umgang der Kinder mit den Dingen macht uns Mühe.
„Sie bleiben nicht bei der Sache“!
Quelle: Elschenbroich, Donata (2010): Die Dinge. Expeditionen zu den Gegenständen des täglichen
Lebens. Verlag Kunstmann, München, S.78-80.
Berufsbedingt gewähren mir viele Menschen Zutritt zu ihren Wohnungen. Ich erlebe
Rumpelkammern, gemütliche Wohnhöhlen, durchgestylte Designer-Wohnzimmer,
aber sobald ich das Rich der Kinder betrete, staune ich über die Austauschbarkeit der
Kinderzimmer. In den allermeisten Fällen muss ich erst mal blinzeln, um mich bei der
Vielfalt an Eindrücken überhaupt zurechtzufinden: Pumuckl Vorhänge, Star-Wars
Poster, Lilifee-Tapeten, nicht zu vergessen die unsäglichen Autostraßen-Teppiche
(gibt es fast überall, wo kleine Jungen wohnen), wüste Monster zu Hauf oder kitschige
Feen (in dem Fall ist dann alles knallpink, das Kind, das Bett, die Puppen) je nach
Geschlecht, daneben all das Plastikzeug in schreienden Farben, und zwar in einem
Umfang, der einem meist Mühe macht, sich einen Weg durchs Zimmer zu bahnen.
Mondraketenlampen oder welche aus Salzstein, je nach ideologischer Ausrichtung
des Elternhauses, Legoteile, die unter den Schuhen knirschen und mindesten 30
Kuscheltiere im Bett. Das ist übrigens nicht irgendein Bett, sondern meist eines in
Form eines Rennautos, eines Schiffes oder einer Kutsche. Die Bettwäsche ist auch
sehenswert: knallbunte Motive je nach Gusto, auf jeden Fall schindelerregend. Warum
glauben wir, dass Kindheit nicht bunt genug sein kann? Niemals würden die meisten
Erwachsenen einen solchen Mustermix in ihrem Wohnzimmer aushalten.
Wieso scheint jedes ästhetische Empfinden vor dem Kinderzimmer halt zu
machen? Nein, ein Kinderzimmer muss nicht immer aufgeräumt sein. Ja, das Kind darf
unter dem Bett seine gesammelten Schätze lagern. Ja, auch alte Pappkartons dürfen
rumstehen, wenn damit grad gebaut wird. Nein, es muss nicht alles dem ästhetischen
Empfinden von alten Tanten wie mir entsprechen, die in einem solchen Zimmer
vermutlich Schlafstörungen entwickeln würden. Aber dennoch: Schönheit, Klarheit,
ein gutes Farbempfinden, sind das nicht Qualitäten, die ein Kind durch seine
Umgebung entwickeln kann? Unterschätzen wir nicht die Wirkung, die Räume auf das
Kind haben? Dazu gehört übrigens dann doch auch eine immer wieder herzustellende
Ordnung der Dinge. Das hat nichts mit kleinbürgerlicher Spießigkeit zu tun, sondern
damit, dass Kinder Ordnung als wohltuend erleben. Herstellen soll sie allerdings
vorbildhaft der Erwachsene. Das kleine Kind beteiligt sich gern, wenn es mittun darf
und nicht mit dem Chaos allein gelassen wird. Das Schulkind kann unter Umständen
schon alleine aufräumen, wenn es eine Grundordnung vorfindet.
Ja, es gibt auch andere Beispiele – zu voll sind die Kinderzimmer aber alle. Schauen
wir uns nun einmal genauer an, was so die Spielzimmer im Einzelnen bevölkert!
Teddybär und Co.
Die Geschichte des Teddys
Die Geschichte des Teddybären ist vielen heute vielleicht gar nicht mehr bekannt.
So kam der Teddybär zu seinem Namen: Theodore (genannt Teddy) Roosevelt,
Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika zu Beginn des 20. Jahrhunderts,
verschonte bei der Jagd einen kleinen Bären mit der Bemerkung, wenn er ihn
erschießen würde, könnte er seinen Kindern nicht mehr in die Augen schauen. Von
der Presse aufgegriffen, erschien eine Zeichnung der Szene mit dem kleinen Bären
auf den Hinterpfoten stehend. Ein Spielzeugfabrikant, Morris Michtom, vermarktete
daraufhin – mit Zustimmung des Präsidenten – einen Plüschbären unter dem Namen
des Präsidenten, nämlich Teddy. Möglicherweise war Margarete Steiff die erste, die
den Plüschbären in die kindliche Welt eingeführt hat, aber wesentlich für unsere
Betrachtung ist die – von Amerika ausgehende – weltweite effiziente Vermarktung
eines Spielzeugs in Zusammenhang mit einer bestimmten Person, mit einer einmaligen
Geschichte. Damit ist eine ganz neue Ära der Kommerzialisierung auf diesem Sektor
eingeleitet.
Aber eine raffinierte Marktstrategie allein erklärt nicht den Erfolg. Neu bei der
Herstellung von Tieren, die den Kindern zum Spielen dienten, war der Plüsch, das
heißt, die Tiere bekamen ein Fell aus Wolle, das nicht geschoren ist, sondern flauschig
weich, anschmiegsam und warm. Die meisten Teddybären zeichnen sich dadurch aus,
dass sie ein kindliches Gesicht haben (hohe Stirn, rund Wangen, große Augen, kleine
Nase, runder Kopf, kurzum: das Kindchenschema) und damit dafür prädestiniert sind,
eine emotionale Beziehung des Kindes zum Spielzeug herzustellen.
Die Haltung des Teddybären, auf zwei Beinen stehend, die Arme nach vorn
ausgestreckt, symbolisiert nicht mehr das Wilde, sondern ruft nach einer
menschlichen Beziehung.
[…] Der Teddybär ist Träger von starken Bedeutungen, reichen Botschaften […] und
diese Botschaften verweisen auf die Kindheit und ihre Werte zu Beginn diese
Botschaften verwiesen auf die Kindheit und ihre Werte zu Beginn des Jahrhunderts
des Kindes. (Brougère 1995)
Weshalb Plüschtiere?
Weshalb verschenken Erwachsene so gerne Plüschtiere an Kinder? Plüschtiere sind
in erster Linie ein Bild der heilen Kindheit, sie haben hohen nostalgischen Wert für den
Erwachsenen, der sich an die Sonnenseiten der eigenen Kindheit erinnern will. Das
ist ein sicher nicht ausreichendes Erklärungsmodell für die Anziehung des
Plüschmaskottchen, die an Rucksäcken baumeln. […]
Vermutlich erkennt der Erwachsene in erster Linie den Wert des Plüschtiers als
Übergangsobjekt, als Möglichkeit, ein Stück eigene Freiheit wiederzugewinnen und
diese auch dem Kind zu ermöglichen, welches beim Ablösungsprozess von der Mutter
Unterstützung braucht, weil das Plüschtier die Abwesenheit der Mutter oder des
Vaters erträglich macht.
Das Plüschtier als Tröster
Der Bär hat im Kinderzimmer eine Sonderstellung, er unterscheidet sich deutlich von
allen anderen Spielsachen. Im Laufe der Zeit wird er allerdings durch viele andere
Tiere ersetzt, wobei das wesentliche Merkmal dabei der Plüsch bleibt, egal, ob es sich
um eine Schildkröte oder einen Dinosaurier handelt. Bei sehr vielen Kindern ist das
Plüschtier zum Ersatz für das geliebte Puppenkind früherer Generationen geworden;
es ist oft Übergangsobjekt.
Übergangsobjekt
Unter Übergangsobjekten versteht man Dinge wie Schmusetücher, Bettzipfel oder
eben allererste Plüschtiere, die dem Kind die Illusion vermitteln, einen Teil der Mutter
(-Brust) als zu ihm gehörig zu erleben. Das Übergangsobjekt erleichtert die allmähliche
Ablösung von der Mutter in seinem Stadium, in dem die Mutter durchaus schon als
zur Welt des Nicht-Ich zugehörig wahrgenommen wird. Das Kind sucht damit seine
Angst zu bewältigen, die es hat, wenn es erkennt, dass es eigenständig und damit
getrennt von der Mutter ist. Das Übergangsobjekt ist somit sowohl ein Symbol der
Einheit mit der Mutter als auch des Getrenntseins von ihr. Diesen Widerspruch löst
das Kind auf, indem es einem meist weichen und anschmiegsamen Ding diesen
doppelten Wert verleiht.
Der Teddy dient aber auch dem persönlichen Schutz als Wächter vor bösen
Träumen. Er hat einen viel individuelleren Charakter als die meisten anderen
Spielsachen; oft hat er einen Namen und klar definierte Aufgaben, zumindest solange
er nicht zur Menagerie der modischen Sammelobjekte gehört, die die Kinderzimmer
bevölkern.
Das Plüschtier ist vielfach nicht Spielobjekt im eigentlichen Sinne, indem es als
Akteur im Rollenspiel gebraucht wird, etwa als Tier im Zoo oder in der Rolle eines
Familienmitglieds; vielmehr behauptet es seine Vorrangstellung im Bett des Kindes als
Tröster, Gefährte, geliebtes Objekt, ohne das das Kind nicht einschlafen kann und
das häufig einen ständigen Begleiter vor allem in Krisensituationen darstellt. Das
Plüschtier ist das meistgebrauchte Übergansobjekt, sei es, dass es dem Kinde bereits
sehr früh gegeben wurde, sei es, dass der Schnuller, der Stofffetzen oder das
Schmusetuch durch das Plüschtier ersetzt wurde.
Ihrem werden die Kümmernisse erzählt, es ist verschwiegener Freund in der Not,
aber auch Alter Ego, indem es – wie die Puppe – erleben und erleiden muss, was das
Kind den Tag über beschäftigt hat. Es hat dann einen durch und durch menschlichen
Charakter.
Quelle: Pohl, Gabriele (2014): Kindheit – aufs Spiel gesetzt. Vom Wert des Spielens für die
Entwicklung des Kindes. 4. Auflage, Springer Verlag Berlin, S. 72-76.
Rituale geben Kindern das Gefühl, dass die Welt in Ordnung ist. Gerade Gute-Nacht
Rituale sind kleine Inseln der Ruhe in einer schnelllebigen Zeit. Indem sich ein
bestimmter Ablauf jeden Abend wiederholt, gewinnen Kinder die Sicherheit, dass
hinter den Dingen ein großes und zuverlässiges Prinzip wirkt.
In den Ritualen begegnen sich Eltern und Kinder spielerisch und handelnd zugleich,
wodurch sie sich gegenseitig ihrer Beziehung vergewissern. Indem wir unter
Umgehung der Sprache gemeinsam Erfahrungen machen, lernen wir voneinander
mehr als durch tausend Worte.
Kinder fürchten sich oft vor Monstern, Hexen und Gespenstern. Diese stehen
stellvertretend für ihre Befürchtungen und Konflikte. Darum macht es wenig Sinn, mit
ihnen nach Hexen und Geistern oder Monstern zu suchen, da sie nur in der Fantasie
vorkommen.
Solange wir auf Einsicht setzten, reden wir in zwei Sprachen. Erst die Rituale
schaffen eine Verbindung zwischen erwachsener Vernunft und kindlichen Fantasien.
In Ritualen sind viele Sinne angesprochen. Lassen Sie mich einige Merkmale von ihnen
anführen:
1. Rituale vermitteln Kontinuität und Sicherheit.
2. Handeln hilft Angst zu vermindern.
3. Rituale fördern gemeinschaftliche erlebte Kreativität.
4. Im Ritual erleben sich Eltern und Kinder als ganzheitlich.
5. Im Ritual dürfen Eltern verrückt sein, ohne für verrückt gehalten zu werden.
Bewahren Sie sich im Ritual einen Teil Ihrer Kindheit. Der Nachbar muss ja nicht
unbedingt mitbekommen, wenn sie mit einem alten Fellmantel grunzend durch das
Kinderzimmer robben. Die Freude, die Sie mit Ihrem Kind in solchen Ritualen erleben,
ist reichlich Ersatz für einen verpassten Krimi oder ein kalt gewordenes Abendessen.
Kleine Grenzüberschreitungen tragen dazu bei, die Welt zu verstehen. Hierzu zählen
auch die kleinen Fluchten. Eine selbstgewählte vorübergehende Ablösung von der
Mutter oder dem Vater ist eine aufregende Erfahrung. Mütter und Väter sollten ihren
Kindern den Raum lassen, solche Erfahrungen zu machen und den folgenden
Gedanken beherzigen:
Kinder brauchen die Erlaubnis, die Welt schrittweise immer genauer zu erforschen.
Erst indem wir ihnen den Raum und das Vertrauen geben, ihre eigenen Erfahrungen
zu machen, lernen sie, dass Sicherheit und Geborgenheit nicht allein von der
räumlichen Nähe zu den Eltern abhängen.
Quelle: Suer, Paul H. (2019): Angst, Mut und Selbstvertrauen. Wie Kinder ihre Ängste überwinden und
Eltern ihr Selbstvertrauen fördern können. 1. Auflage, Selbstverlag, Ostercappeln, S. 126-127 u. 34
35.
Das Erlebnis von Freundschaft gehört zu jenen unvergesslich-beglückenden
Erfahrungen, die die meisten von uns in ihrer Kindheit und vielleicht nur in ihrer Kindheit
gemacht haben. Wem dies nicht vergönnt war, der konnte zumindest Freundschaften
zwischen anderen Kindern beobachten oder sie, sozusagen aus zweiter Hand, aus
Büchern erfahren. […]
Daß Kinder eigene Vorstellungen über Freundschaft entwickeln, die man nicht mit
Erwachsenenmaßstäben messen kann (weil man sonst ihren Besonderheiten nicht
gereicht wird), ist auch bei Psychologen eine relativ junge Einsicht. Sie wurde möglich,
als man sich von der Auffassung löste, daß es die Art der Beziehung zwischen Mutter
und Kind sei, die schon von Geburt an die weitere Entwicklung des Kindes maßgeblich
beeinflusse, so daß auch die späteren Beziehungen zu anderen Kindern und
Erwachsenen als Folge dieser frühkindlichen Mutter-Kinder-Beziehung anzusehen
seien. Starker Einfluss in diese Richtung ging von der sog. Bindungstheorie (engl.
Attachment theory) aus, die u.a. psychoanalytische Annahmen zugrunde gelegt (Rauh
1987). Die Bedeutung des mütterlichen Einflusses wurde relativiert: Nun sind es vor
allem Gleichaltrige (Peers), denen eine eigenständige Rolle in der Sozialisation des
Kindes zukomme, die nicht von den Eltern übernommen werden kann. Es ist der
Umgang und die Auseinandersetzung mit Gleichaltrigen, die Kindern eine Reihe von
sozialen Fertigkeiten vermitteln, welche sie nur auf diese Weise erwerben können,
nämlich in sogenannten symmetrischen Beziehung, in denen nicht eine Partei zu
bestimmen hat (die Eltern), sondern wo gemeinsam mit gleichen und
gleichberechtigten Partnern ein übereinstimmendes Verständnis ihrer Beziehung
herbeigeführt wird, das von Bedeutung ist, wenn es einerseits z.B. um die Wahl von
Spielen geht, andererseits aber auch um die Lösung von Konflikten (Youniss 1980,
1982; Selman 1984). […] In diesem Sinne sind Kinderfreundschaften eine
Entdeckung des 20. Jahrhunderts.
Die psychologische Bedeutung von Freundschaft liegt nicht nur in den
angenehmen Erfahrungen, die sie dem einzelnen bereiten, sondern auch in der Rolle,
die sie für die soziale Entwicklung des Kindes spielt. Die sogenannten
Sozialisationsfunktion von Freundschafts- und Peerbeziehungen sind in den letzten
Jahren zunehmend als wichtig erkannt worden. Kinder lernen miteinander und
voneinander Kooperation und Wettbewerb, moralische Normen,
Aggressionskontrolle, Vertrauen und Sensibilität. Freundschaften in der Kindheit
sollen zum Aufbau eines positiven Selbstbildes verhelfen, zu intimen Beziehungen im
Erwachsenenalter befähigen und delinquente sowie psychotische Entwicklungen
verhindern (Fine 1980, 1981; Hartup 1977; Maas 1968; Lewis u. Rosenblum 1975;
Mannarino 1978; Putallaz u. Gottman 1981a).
Quelle: Wagner, Jürgen (1994): Kinderfreundschaften. Wie sie entstehen. Was sie bedeuten. Springer
Verlag, Berlin, S. 1-4.
Angst ist eine allen Menschen gemeinsame, von Kindern aber besonders
häufig und intensiv erlebte emotionale Erfahrung. Sie beeinflußt und
beeinträchtigt in starkem Maße die Persönlichkeitsentfaltung. Gleichgültig in
welcher Ausprägung sie auftritt, sie hat eine ganz entscheidende Bedeutung
für die Entwicklung des Kindes.
Keine Frage, daß die Ängste der Kinder vom Erzieher sehr ernst zu
nehmen sind und daß die Aufgabe, Ängste bei Kindern möglichst gering zu
halten und vorhandene und eingewurzelte Ängste abzubauen, zu eine
wichtigste Aufgabe zählen. Nur können sich die meisten Erwachsenen kaum
noch klarmachen, was Angst in der Kindheit eigentlich bedeutet, in welchem
Maße sich Kinder von realen Verbrechern verfolgt und von irrealen Ungeheuern
bedrängt sehen und mit welcher Intensität sie all die greifbaren und
ungreifbaren Gefahren empfinden. Deshalb ist es erforderlich, sich immer
wieder einmal Auskunft darüber einzuholen, wovor und in welchem Ausmaß
sich Kinder am häufigsten ängstigen. Vergleiche zwischen älteren und neueren
Untersuchengen zeigen, daß es sowohl überdauernde Angstquellen gibt (die
relativ unverändert hoch gebliebene Angst vor Gespenstern, Geistern und
Vampiren legt den Verdacht nahe, daß es sich hierbei um „Urängste“ handeln
könnte, die Kinder zu allen Zeiten hatten und – zumindest in bestimmten
Altersstufen – niemals ganz auszuschalten sind) als auch zeitbedingte Ängste
(die Angst vor Umweltkatastrophen, die vor Jahrzehnten überhaupt keine Rolle
spielte, heutzutage aber dominant ist, wird sicherlich durch die ständig und in
allen Medien präsentierten „Angst-Worte“ vom „Wald-, Robben- und
Fischsterben“, von der „Meeres- und Luftverschmutzung“ und vom „Ozonloch“
und „Treibhauseffekt“ beeinflußt; Ähnliches gilt – vor allem bei Mädchen – für
die Angst vor Sittlichkeitsverbrechern).
Eltern und Lehrer sind in aller Regel sehr unsicher, wie sie mit den
Ängsten ihrer Kinder umgehen sollen. Viele neigen dazu, über die Ängste
hinwegzugehen und sie herunterzuspielen in den Glauben, sie würden nach
einer gewissen Zeit von ganz allein verschwinden. Nach dem Motto „Nichts
sehen – nichts hören – nichts sagen“ wird die Angst der Kinder verdrängt und
tabuisiert oder mit der Bemerkung „Davor brauchst du doch keine Angst zu
haben!“ abgewürgt. Andere überbewerten die Ängste in so ungerechtfertigter
Weise, daß sie sie durch ihre maßlos übertriebenen Reaktionen noch
verstärken und zur Dauererscheinung machen. Die Folge davon ist, daß diese
Kinder überall Schrecken und Gefahren wittern und sich ständig von Dämonen
und wilden Tieren umzingelt sehen.
Weder Leugnen und Totschweigen noch ein überemsiges Angehen und
Auf-die-Spitze-Treiben stellen angemessene pädagogische Vorgehensweisen
zur Reduzierung kindlicher Ängste dar. Wenn aber auch eindringlichen
Aufklärungs- und Überzeugungsversuchen nur sehr selten Erfolg beschieden
ist und wenn pure Bewahr-Pädagogik erst recht nichts bringt, was bleibt dann
noch zu tun? Der Erzieher, der sich um eine „richtige“ Aufarbeitung kindlicher
Ängste, bemüht, befindet sich in der Tat in einer besonders spannungsreichen
und schwierigen Situation. Auf der einen Seite weiß er, daß er die Ängste der
Kinder auch durch sehr behutsame und umfassende Erziehung nie völlig
beseitigen kann und daß er keine Möglichkeit hat, die Kinder aufzuziehen, ohne
sie zuweilen heftigen Ängsten ausgesetzt zu sehen. Auf der anderen Seite darf
er auftretende Ängste weder verleugnen und überspielen noch ungerechtfertigt
aufblähen. Zugleich aber wird er es als dringend notwendig erachten, bei den
Kindern höchstmögliche Angstfreiheit zu erreichen, weil ihm bekannt ist, wie
Ängste die Entfaltung des Kindlichen Denken und Handeln behindern und unter
Umständen triefgreifende Schädigungen hinterlassen können.
Was ist ihm also zu raten?
Mit den Kindern offen über Ängste sprechen, indem er ihnen klarmacht, in
welchen Zusammenhängen sie auftreten und wo sie unberechtigt sind, und
indem er ihnen konkrete Beispiel vorführt, wie man Ängste aktiv bekämpft, am
besten durch gemeinsames Handeln und Zusammenhalten untereinander.
Quelle: Sahr, Michael (2001): Ein ABC der Kinder- und Jugendliteratur. Scheider Verlag Hohengehren,
S. 6-9.
Mit Klatschen, Trommeln, Stampfen und Klopfen erleben Kinder mit dem ganzen
Körper den Rhythmus. Dieses Erlebnis bringt immer wieder tief in unserem Innern
bewahrte, uralte Erinnerungen zum Vorschein. Wir spüren da besonders, wie unsere
Wahrnehmung uns bewegt. Man kann den Kindern zeigen, wie ein Ton schwingt – auf
dem Klangkörper der Gitarre, auf einer Trommel, auf den Klaviersaiten. Sie können es
sehen, wenn wir z. B, ein Papier auf die Seite legen oder wenn sie zart ihre Hand
darauflegen. […]
Töne und Geräusche selber zu produzieren, macht jedem Kind Spaß. Es fördert die
akustische Wahrnehmung, die Tiefenwahrnehmung, die Serialität, das
Rhythmusgefühl, die Sprache usw. Zu früh zu einem Instrument gezwungen macht
aber keinen Spaß. […]
Machen wir die Kinder auf die Klänge und Töne in unserer Umgebung aufmerksam,
lassen wir sie lauschen und geben wir ihnen Gelegenheit, selbst akustische Reize zu
produzieren. Erschließen wir ihnen die Vielfalt der Klänge, leisten wir sie zum Hinhören
an und gewöhnen wir sie an gute Musik.
Akustische Wahrnehmung fördert die taktile Wahrnehmung, die Motorik, den
Gleichgewichtssinn und die gesamte Tiefenwahrnehmung. Und das richtige Hören ist
eine Grundvoraussetzung für den richten Spracherwerb.
Quelle: Schedlwy-Oppolzer, Renate (): Neugierig aufs Leben. Wahrnehmungsförderung für Kinder bis
zum 7. Lebensjahr. LIT Verlag Münster, S. 94-95.