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Das JMB stellt sich mit einer Direktorin für Vermittlung und Digitales neu auf
Die Direktorin des Jüdischen Museums Berlin (JMB), Hetty Berg, strukturiert die Institution weiter um und nimmt dabei das Publikum noch stärker in den Blick als bisher. Am 15. Juni 2024 wird Barbara Thiele die neu eingerichtete Stelle als Direktorin für Vermittlung und Digitales antreten. Dies bekräftigt einmal mehr die Bedeutung, die das JMB zwei großen Herausforderungen unserer Zeit beimisst: der Vermittlung und der digitalen Transformation.
Hetty Berg betont, dass der Bildungsauftrag zentral ist für die Arbeit des JMB: „Die Bildungsprogramme besaßen im JMB von Anfang an einen sehr hohen Stellenwert. Wir wollen das JMB als zentrale Plattform für jüdische Kultur in Geschichte und Gegenwart im analogen und im digitalen Raum etablieren und Menschen auf der ganzen Welt erreichen. Noch mehr als bisher wollen wir jüngere Generationen ansprechen. Mit der Besetzung dieser Stelle haben wir eine Persönlichkeit in der Leitung, die kontinuierlich die gesamte Vermittlung und das digitale Spielfeld im Blick hat sowie unseren Bildungsauftrag und alle Arbeitsfelder des Museums strategisch mitdenkt“, so Berg weiter. „Barbara Thiele hat die digitale Transformation des Museums bereits entscheidend vorangetrieben – und ist aufgrund ihrer einschlägigen Expertise genau die Richtige für diese Aufgabe.“
Barbara Thiele wird die programmatischen Bereiche Akademie, Bildung, Digital & Publishing, die Kinderwelt ANOHA sowie die überwiegend organisatorischen Bereiche Veranstaltungsmanagement und Visitor Experience & Research (VE&R) verantworten. Ein Ziel der Neuorganisation ist die strukturelle Verbindung der programm-gestaltenden mit den beiden organisatorischen Bereichen unter einer Direktion.
Thiele wird neben der Sammlungs- und Ausstellungsdirektorin Dr. Julia Friedrich und dem Verwaltungsdirektor Lars Bahners auf der zweiten Führungsebene stehen. Der langjährige Organisationsdirektor Bülent Durmuş hatte das JMB im März nach über 20 Jahren verlassen, um die Kaufmännische Geschäftsführung der AIM Agentur für internationale Museumskooperation gGmbH zu übernehmen.
Das JMB wird in den Vermittlungsangeboten zukünftig Digitales und Analoges stärker verschränken. Barbara Thiele ist es besonders wichtig, verschiedene Besucher*innengruppen dort abzuholen, wo sie tatsächlich stehen: „In Zeiten vermehrter Krisen und gleichzeitig schwindender Zeitzeugenschaft möchte ich die gesellschaftliche Relevanz des JMB erhöhen. Dafür muss ein multiperspektivischer und barrierefreier Zugang für alle gewährleistet sein“, so Thiele. Die so geschaffene kulturelle Teilhabe könne auch dazu beitragen, dem zunehmenden Antisemitismus entgegenzuwirken. „Welche Inhalte das JMB aufgreift und vermittelt, welche Formate es wählt und wie es analoge und digitale Formate verzahnt, wie das JMB neue Zielgruppen erschließt, wie es online die Sammlung präsentiert – all das muss immer wieder überprüft und angepasst werden, um das Erlebnis vor Ort und online noch zugänglicher zu machen.“
Thiele hat in den vergangenen acht Jahren im JMB den Bereich Digital & Publishing geleitet und die digitale Transformation des Hauses gesteuert. Von 2008 bis 2015 baute Thiele die Print-on-Demand- und Self-Publishing-Plattform epubli GmbH mit auf. Zuletzt war sie dort als Geschäftsführerin tätig und verantwortete die Leitung eines 30-köpfigen Teams, bestehend aus den Abteilungen Produkt, IT, Marketing, Presse und Autorenberatung.
Am 6. Juni 2024 findet ab 18 Uhr im Jüdischen Museums Berlin (JMB) die feierliche Eröffnung eines neuen Bildungsraums im Untergeschoss des Libeskind-Baus statt. Für das JMB ist der Raum ein weiterer Baustein, um der Diversität der Besucher*innen und ihren individuellen Bedürfnissen angemessen zu begegnen und Inklusion zu fördern. Wenn der Raum nicht von Gruppen genutzt wird, steht er aber auch Individualbesucher*innen offen.
Ziele: Diversität begegnen und Inklusion fördern
Historisch-politische Bildungsarbeit für Menschen mit unterschiedlichem Förderbedarf ist noch immer keine Selbstverständlichkeit. Mit dem neuen Raum erweitert das JMB sein inklusives Angebot. Schulklassen und neurodiverse Gruppen können sich hier in einem geschützten Raum und im individuellen Tempo mit der Ausstellung und der Architektur des Hauses auseinandersetzen. Gruppen Gehörloser haben hier z. B. die Möglichkeit, im Sitzkreis in Gebärdensprache zu kommunizieren, Klassen bietet er Platz für Kennenlern- und Bewegungsspiele. Neurodiversität meint neurobiologische Unterschiede, dazu zählen beispielsweise Autismus, ADHS, Dyskalkulie, Legasthenie und Hochbegabung.
JMB startet Veranstaltungsreihe mit Natan Sznaider zu Ambiguitätstoleranz
Am 10. April 2024 startet das Jüdische Museum Berlin (JMB) in der W. Michael Blumenthal Akademie eine neue Veranstaltungsreihe: die Lecture Series Wo liegt die Wahrheit? Über Ambiguitätstoleranz, kuratiert von Prof. em. Dr. Natan Sznaider (Tel Aviv). Der israelische Soziologe hält den Einführungsvortrag der Lecture Series und diskutiert an den vier folgenden Terminen mit seinen Gästen über Ambiguitätstoleranz und deren Relevanz heute: Wie können wir unterschiedliche Positionen aushalten und anerkennen?
Natan Sznaider führt aus, warum „Ambiguitätstoleranz“ für ihn ein Schlüsselbegriff ist: „Jüdinnen und Juden praktizieren mit ihrem Leben zwischen Anpassung und Autonomie Ambiguität, ob sie es wollen oder nicht. Nun sind gerade auch Juden und Jüdinnen der Eindeutigkeit des Nationalsozialismus zum Opfer gefallen. Es geht mir daher nicht nur um Ambiguität, sondern auch um die Fähigkeit, sie zu ertragen. Daher ist für mich Ambiguitätstoleranz ein Schlüsselbegriff, nicht nur um jüdisches Leben zu verstehen, sondern auch, um im Allgemeinen damit umzugehen, dass man als moderner Mensch ständig aus der Welt herausfallen muss und dass verschiedene Situationen unterschiedliche Sichtweisen hervorrufen können.“
13.06.2024, 19 Uhr, Prof. Nora Sternfeld, Hochschule für bildende Künste Hamburg: Ambiguitätstoleranz und Kunst
Nora Sternfeld geht aus von dem Konzept des „Commoning“, des „Gemeinschaffens“, und der Debatten um die documenta fifteen. Sie betrachtet das Konzept der Ambiguitätstoleranz im Rahmen der politische Theorie der „Commons“, der „Kontaktzonen“, die sie als Kontexte und Prozesse des Zusammen-Handelns, als Verhandlungsräume und Austragungskontexte von Konflikten versteht. Sternfeld verweist auf die jeweils herrschenden Machtverhältnisse und fragt nach den sich daraus ergebenden Perspektiven.
25.09.2024, 19 Uhr, Prof. Bekim Agai, Goethe-Universität Frankfurt: Ambiguitätstoleranz und der muslimische Blick
Bekim Agai nimmt muslimische Reisende aus dem Osmanischen Reich und Nordafrika in den Blick, die seit dem 17. Jahrhundert regelmäßig Europa besuchten. Wie veränderten sich die Bedingungen und das Erkenntnisinteresse des Kontakts, wie veränderte sich die Wahrnehmung von Gemeinsamkeiten, Unterschiedlichkeiten und der Umgang mit Mehrdeutigkeiten? Lassen sich aus den historischen Erfahrungen Erkenntnisse über aktuelle Fragen von Identität und Migration gewinnen?
23.10.2024, 19 Uhr, Prof. Hans-Georg Soeffner, Universität Bonn: Chancen und Grenzen der Ambiguitätstoleranz
Hans-Georg Soeffner weist darauf hin, dass die Forderung nach Ambiguitätstoleranz als Grundlage des sozialen Zusammenhalts bereits in der europäischen Aufklärung eine zentrale Rolle spielte. Heute trifft diese Forderung allerdings auf eine völlig veränderte historische Situation, da wir in einer heterogenen, durch religiösen, nationalen, ethnischen, politischen und ökonomischen Pluralismus strukturierten Gesellschaft leben. Soeffner hebt die Chancen und Grenzen der Ambiguitätstoleranz hervor.
Ort: W. Michael Blumenthal Akademie des Jüdischen Museums Berlin
Fromet-und-Moses-Mendelssohn-Platz 1
10969 Berlin