|
|
|
Wie sind Sie bei der Konzeption des Festivals vorgegangen und auf welche Resonanz sind Sie innerhalb der Hochschule gestoßen?
Christian Köhn: Oberstes Ziel war es von vornherein, über den lokalen und zeitlichen Rahmen des Festivals hinaus zu wirken und das inzwischen weitgehend verloren gegangene Interesse an dieser Musik wieder zu beleben. Dazu habe ich die Programme so gestaltet, dass sie einen breiten Querschnitt vom Früh- bis zum Spätwerk und über die verschiedensten Besetzungen abbilden. Klebe hat in seinen mehr als 140 Werken Musik für so gut wie alle Orchester- und Soloinstrumente und auch für einige „Exoten“ wie Mundharmonika oder Rockband komponiert, so dass hoffentlich viele Musiker und vor allem unsere Studierenden Lust bekommen, zu spielen, was er für ihr eigenes Instrument geschrieben hat. Die Resonanz in der Hochschule war mit einem Wort: überwältigend. Alle Mitwirkenden haben sehr schnell zugesagt, obwohl sie in aller Regel die Stücke neu einstudieren müssen. Die Unterstützung durch das Rektorat war und ist großartig, ebenso die Arbeit der Abteilung Konzerte und Kommunikation, des Tonmeisterinstituts, der Opernschule und der Musikwissenschaftler. Das Engagement auf allen Seiten hat meine Erwartungen weit übertroffen.
Frau Tumat, wie haben Sie auf die Anfrage reagiert, die Wissenschaftliche Leitung des Projekts zu übernehmen?
Antje Tumat: Da ein Schwerpunkt meiner For schungsarbeit im Bereich Neue Musik des 20. Jahrhunderts liegt, habe ich diese Aufgabe gerne übernommen. Klebe entstammt einer Generation von Kunstschaffenden, deren Jugend durch traumatische Erfahrungen während der NS-Zeit und im Zweiten Weltkrieg geprägt wurde. Seine daraus erwachsene pazifistische Grundhaltung, die in einem christlichen Humanismus wurzelt und die in sein programmatisches Instrumentalwerk genauso eingeflossen ist wie in sein Bühnenwerk, erweisen sich somit inhaltlich als hochaktuell. Zudem erscheint mir seine auch kritische Auseinandersetzung mit der damaligen kompositorischen Avantgarde (die er übrigens mit Hans Werner Henze teilt) insofern auch noch heute relevant, als
dass sie das Verständlichkeitsproblem Neuer Musik thematisiert. Klebe betonte beispielsweise, dass Musik ihre Sprachlichkeit nicht verlieren dürfe und
von den Zuhörenden verstanden werden solle.
Welche Aktivitäten bzw. Lehrveranstaltungen führt das Musikwissenschaftliche Seminar im Rahmen von „Giselher Klebe_100 | Detmold“ konkret durch?
Antje Tumat: Ein Highlight wird sicherlich die in einem Projektseminar unter der Leitung meiner beiden Assistenten Melissa Maria Korbmacher und
René Pauls in enger Zusammenarbeit mit Klebes Tochter Sonja Klebe konzipierte und für die Öffentlichkeit frei zugängliche Ausstellung sein: Vom
24. Oktober 2025 bis zum Ende des Wintersemesters wird diese im Foyer des Konzerthauses präsentiert. Sie bietet einen Einblick in Biografie und Werk
Klebes und fokussiert sein Engagement als Pädagoge anhand vieler bislang völlig unbekannter und somit unveröffentlichter Exponate. Die Studierenden haben dafür viel recherchiert und sprechende Texte, Noten, Bilder oder andere Quellen ausgewählt und kontextualisiert, die Klebes Biografie,
Œuvre und Lehrtätigkeit in Detmold beleuchten.
Giselher Klebe war einer der national und international erfolgreichsten Komponisten seiner Generation. Wie erklären Sie es sich, dass sein Werk heute weit
gehend in Vergessenheit geraten ist und dass es nur wenig Forschungsliteratur zu Klebe gibt?
Christian Köhn: Klebe geriet schon zu Lebzeiten mehr und mehr in Vergessenheit. Ein Grund war sicherlich, dass er sich in seiner persönlichen kompositorischen Entwicklung auf der (wie er es nannte) „leidenschaftlichen Suche nach Klarheit“von der Avantgarde seiner Zeit immer mehr ent
fernte und unbeirrt seinen eigenen Weg ging. Mit seiner harmonischen Sprache, bei der er Tonalität und Atonalität nicht als einander ausschließende
Gegensätze, sondern als entgegengesetzte Pole einer Skala verstand, zwischen denen er sich bewegen konnte, saß er gewissermaßen zwischen allen
Stühlen, und die Wahl seiner literarischen Opernstoffe war irgendwann einfach außer Mode. Ihn hat das alles kaum gekümmert, und er blieb seinem
Weg auch dann treu, als ihm immer weniger Musiker und Hörer folgten.
Zudem gibt es im Wintersemester 2025/26 ein Seminar zu Klebe unter meiner Leitung, das sich Klebes Werk, vornehmlich seinen Opern, aus der Perspektive
der Geschichte Neuer Musik im 20. Jahrhundert widmet. Der dritte Baustein seiner Würdigung von musikwissenschaftlicher Seite wird ein Musikwissenschaftliches Symposium unter der Leitung von Dr. Anna Ricke und mir sein, in dessen Rahmen sich Kolleginnen und Kollegen erstmals mit Aspekten von Klebes Werk oder einzelnen Opern auseinandersetzen. Auch darauf freue ich mich sehr, da es bisher einfach kaum Forschung zu Klebe gibt – ich bedanke mich jetzt schon bei den vielen Referierenden, dass sie sich auf die aufwändige Arbeit mit für sie zu weiten Teilen neuem Material eingelassen haben! Den Abschluss des Symposiums bildet eine Podiumdiskussion mit Zeitzeugen und Aufführenden von Klebes Werk, die zum Austausch mit dem Publikum über seine Musik einlädt. Diese drei Bausteine ergänzen das umfassende und vielfältige künstlerische Programm der Hochschule um eine reflektierende und die Öffentlichkeit einbeziehende Ebene.
Antje Tumat: Ob und wieviel das Werk eines Komponierenden zu Lebzeiten wissenschaftlich wahrgenommen wird, hängt neben der Intensität der Werkrezeption, also wieviel er tatsächlich gespielt wird, auch von der eigenen Positionierung im öffentlichen Diskurs ab. So hat insbesondere Henze
etwa sehr viele eigene Schriften über sein Werk in Form von Tagebüchern, einer Autobiografie und Essays zu Lebzeiten veröffentlicht, die dann wiederum Anstöße zu ersten Deutungen gaben. Auch seine politischen Positionierungen haben schon in den Feuilletons der damaligen Leitmedien deutlich
mehr Aufmerksamkeit generiert und provoziert als im Falle Klebes. Sicher spielen auch persönliche Kontakte zu anderen Komponisten oder Auftragge-
bern eine Rolle, wie auch die Tatsache, ob sich eine engagierte Person im Wissenschaftsbetrieb von dem Werk eines Komponierenden angezogen fühlt,
um darüber zu arbeiten, oder aber Kompositions schülerinnen oder -schüler das Werk weitertragen. Klebe hat weniger Selbstdeutungen seiner Musik
hinterlassen als andere seiner Zeitgenossen und war offenbar auch weniger in der Öffentlichkeit präsent.
Frau Tumat, wie haben die beteiligten Lehrenden und Studierenden des Musikwissenschaftlichen Seminars Detmold/Paderborn sich vor dem Hinter
grund der dürftigen Forschungslage fachlich den Zugang zu Giselher Klebe und seiner Musik erschlossen?
Antje Tumat: Die Noten von Klebes Werk liegen in weiten Teilen in unserer Bibliothek ediert vor, es gibt zudem auch ältere inhaltliche Vorarbeiten mit
einigen wenigen Lexikonartikeln (etwa von Brigitte Schäfer) oder dem Teil-Werkverzeichnis von Michael Rentzsch zu Klebe. Allerdings hat nunmehr vor
allem durch die engagierte Zusammenarbeit mit Klebes Tochter Sonja Klebe das gesamte Jubiläumsjahr eine ganz neue inhaltliche Dimension gewon
nen, da wir durch sie mit vielen Informationen zu Klebe und Quellen aus der Feder ihres Vaters versorgt wurden, so dass selbst die Konzeption des
Jubiläumsjahrs schon einer kleinen Forschungsreise glich. Sonja Klebe hat auch die Kolleginnen und Kollegen in ihrer Vorbereitung auf das Symposium
immer wieder mit neuem Material versorgt. Daher gilt Sonja Klebe insbesondere von wissenschaftlicher Seite ein großer Dank für die neuen Erkennt
nisse, die hier erzielt wurden!
Wie war die Arbeitsweise von Giselher Klebe?
Antje Tumat: In einigen seiner Skizzen arbeitete er genauso mit Reihentabellen wie andere Komponierende seiner Generation. Es gibt aber auch
großflächige künstlerische Konzepte, in denen er seine Ideen grafisch und in Worten darstellte, davon können wir dann Beispiele in der Ausstellung
sehen. Wichtig war für Klebe, wie schon im Falle von Die Zwitschermaschine (seiner wohl berühmtes ten Komposition über ein Bild von Paul Klee, die ihn Frau Lore, die ihren Wohnungsschlüssel vergessen hatte, nicht wahrnahm. Über Komponistenkollegen, die tatenlos auf „Inspiration“ warten, hat er
eher gespottet. In seinen letzten Jahren stellte er manchmal mit leisem Bedauern fest, dass er früher mit mehr Unbekümmertheit komponiert habe,
während er jetzt vieles von dem, was er am Vortag mühsam aufgeschrieben hatte, wieder vernichtete. Der künstlerische Austausch mit seiner Frau Lore
war ihm bis zu deren Tod 2001 so wichtig, dass er danach zunächst glaubte, nicht mehr komponieren zu können (was sich glücklicherweise als falsch her
ausstellte; das bewegende „Poema lirico“, das er zu ihrem Andenken schrieb, wird bei unserem Festival gespielt).
Herr Köhn, Sie haben mehr als zehn Werke von Giselher Klebe uraufgeführt. Gab es bei der Einstudierung dieser Werke eine direkte Zusammenarbeit mit bzw. Einflussnahme durch den Komponisten?
Christian Köhn: Ich habe ihm natürlich alle Werke vor der Uraufführung vorgespielt, aber er hat nimals Veränderungen an der Interpretation verlangt
oder mich in irgendeiner Weise zu beeinflussen versucht. Wenn ich konkrete Fragen hatte, bekam ich hilfreiche Antworten, aber er gestand uns Inter-
preten nicht nur das Recht auf eine persönliche Sicht zu, sondern erwartete sie sogar. Seine Musik, bei der auch dann der Ausdruck im Mittelpunkt
steht, wenn sie streng strukturiert durchkomponiert ist, bedarf der persönlichen Aussage auch des Interpreten. Das war ihm immer bewusst und
Bestandteil seiner Kompositionsweise. Sogar die ausdrückliche Vorschrift „Die Metronomangaben sind streng verbindlich“ in seinem frühen Klavier
zyklus Wiegenlieder für Christinchen bezeichnete er mir gegenüber als „Quatsch“, den man nur schreibe, wenn man jung sei.1950 schlagartig berühmt machte), die Inspiration durch die Bildende Kunst. Auch darüber wird in der Ausstellung berichtet.
Christian Köhn: Klebe arbeitete in aller Regel nur an jeweils einem Stück, in den letzten Jahrzehnten am Schreibtisch seiner Wohnung in der Detmolder
Bruchstraße, mit Blick auf den Schlosspark und mit einem Bild seines großen Vorbilds Giuseppe Verdi an der Wand. Dabei war er so konzentriert, dass
er z. B. einmal das minutenlange Klingeln seiner Wohnungstür nicht hörte.
Sind die Werke von Giselher Klebe „schwer“ zu spielen? Worin liegen die Herausforderungen für die Interpreten?
Christian Köhn: In seinen Werken, zumal in den späteren, verzichtet er auf alles Überflüssige, um die Aussage mit immer noch größerer Klarheit
zum Ausdruck zu bringen. Er selbst schrieb dazu: „Mir erscheint jede Expansion als Zeichen einer Ohnmacht, jede Massierung der Mittel ein Zeichen
des Vertrauensverlustes in die eigene Aufgabe. Meine ganze Leidenschaft gilt dem Streben nach Klarheit.“ Dadurch sind seine Stücke von wenigen
Ausnahmen abgesehen im technischen Sinne nicht besonders schwer, zumal er sich phänomenal in die spezifischen Eigenheiten jedes Instrumentes bzw.
der Stimme hineinfühlen konnte und niemals „gegen“ das Instrument schrieb. Auf der anderen Seite liegt gerade in dieser Reduzierung die Herausforderderung für den Interpreten: Weil keine einzige Note unwichtig oder gar überflüssig ist, darf man auch keine ungestaltet und ohne innere Notwendigkeit spielen.
Giselher Klebe lehrte insgesamt über 40 Jahre an der HfM Detmold und blieb auch nach seiner Emeritierung in Detmold wohnen. Wie trat er in der Hoch
schule und in der Stadt auf?
Christian Köhn: In der Hochschule habe ich ihn vor allem in seiner Vorlesung „Instrumenten- und Partiturkunde“ erlebt, und die war ganz und gar
unkonventionell: Er saß vor uns auf dem Lehrerpult im „Audimax“, sprach vielleicht zehn Minuten über das Stück, das er uns vorstellen wollte, erzählte
z. B. von seinen persönlichen Begegnungen mit Igor Strawinsky, Luigi Nono usw., verteilte dann Partituren und spielte anschließend das komplette
Werk von Schallplatte oder Musikkassette vor. Die Vorlesung bestand also zum allergrößten Teil aus gemeinsamem Musikhören.
In der Stadt kannten ihn sehr viele Menschen, auch solche, die nie in Konzerte gingen, weil er bei seinen Spaziergängen oder bei seinen fast allabendlichen Besuchen im „Italia“ einfach auffiel, ohne dass er das angestrebt hätte. Ich habe oft gestaunt, dass Menschen seine Größe erkannt, gespürt haben
und ihm mit Zuneigung und Verehrung begegneten, ohne jemals auch nur einen Ton seiner Musik gehört zu haben.
Erinnern Sie sich an eine Episode, die ihn besonders treffend charakterisiert?
Christian Köhn: Da gibt es natürlich viele, und einige davon werden bei unserer Gesprächsveranstaltung am 25. Oktober sicher zur Sprache kommen.
Was mich besonders beeindruckt hat: Es gab in derFußgängerzone einen amerikanischen Straßenmusiker, der gerne direkt vor Klebes Wohnung in der
Bruchstraße spielte und ihn dabei natürlich bei der Arbeit störte. Klebe ging dann zu ihm, sprach sehr nett mit ihm über dessen Musik und bat ihn,
unterstützt durch einen höheren Geldbetrag, doch einen Block weiterzuziehen (das führte übrigens dazu, dass in der nächsten Zeit sämtliche Detmolder Straßenmusiker vor seiner Wohnung spielten…). Als einige Zeit später die Mutter dieses Musikers in den USA schwer erkrankte, zögerte Klebe nicht,
ihm spontan einen Flug zu spendieren, damit er sie noch einmal sehen konnte. Ich kenne niemanden, der so etwas täte, aber für ihn war das vollkommen
selbstverständlich.
Herr Köhn, Sie haben Giselher Klebe 1982 mit Aufnahme Ihres Klavierstudiums in Detmold kennengelernt und waren bis zu seinem Tod 2009 freundschaftlich eng mit ihm verbunden. Was konnten Sie von ihm lernen, was konnten Sie ihm geben?
Christian Köhn: Es ist keine Übertreibung, wenn ich feststelle, dass ich mir mein Musikerleben ohne ihn und ohne seine Musik nicht vorstellen kann.
Die unbedingte Ernsthaftigkeit seiner Kunst, die Klarheit und Kraft der Aussage, aber auch seine zutiefst humanistische Grundhaltung, seine persönliche Anteilnahme an den Mitmenschen, haben mich extrem beeindruckt und geprägt. Außerdem habe ich bis heute niemanden kennengelernt, der selber
ein so breitgefächertes Repertoire verfügte wie er. In den hunderten Stunden, die ich mit ihm über Musik, aber auch über sonstiges Erhabenes und Profanes gesprochen habe, habe ich unzählige Anregungen und Einsichten bekommen, ganz besonders über seine „Hausgötter“ Verdi und Haydn. Umgekehrt glaube ich kaum, dass er von mir viel „gelernt“ hat, aber er hat sich wohl gefreut, in mir einen engagierten Interpreten und auch einen guten Freund gehabt zu haben, und ich konnte ihn zu einigen Stücken anregen.
Frau Tumat, was können Studierende der Musikwissenschaft aus der Arbeit an einem Projekt wie „Giselher Klebe_100 | Detmold“ im Hinblick auf ihre spätere Berufstätigkeit mitnehmen?
Antje Tumat: Die Arbeit über bislang weniger beforschte Künstlerinnen und Künstler bringt für die Studierenden ein sogenanntes „forschendes Lernen“ mit sich, also ein Nachdenken über unbekannte Quellen, die eigene Interpretation von Texten und Musik und damit eine intensivere Beschäftigung mit dem Notentext. Da es wenig fertige Texte berühmter Zeitgenossen bzw. in Fachkreisen anerkannter wissenschaftlicher Autoritäten gibt, die schon Deutungen vorgeben, müssen sich die Studierenden das Material methodisch selbst erarbeiten. Das ist an sich ein großer Vorteil, der natürlich von den Studierenden eine engagierte Mitarbeit erfordert. Unabhängig davon sind Kompetenzen wie das Durchführen einer Ausstellungskonzeption und ihre
praktische Umsetzung, das Erstellen von Programm texten oder aber die dazugehörige Öffentlichkeitsarbeit direkt relevant für den späteren Berufsalltag
von Musikwissenschaftsstudierenden oder auch praktischen Künstlerinnen und Künstlern, die ihre eigenen Konzerte moderieren oder kommentieren
möchten. Nicht zuletzt ist es für sie wichtig zu sehen und zu verstehen, wie sich andere Personen, etwa im Rahmen unseres Symposiums, bisher unerforschte
und in Teilen nicht interpretierte und bewertete künstlerische Werke aneignen und diese beurteilen. Eine solche Arbeit in musikwissenschaftlichem
Neuland kann den späteren Berufsalltag im Umgang mit Musik nachhaltig prägen.
Hat sich Ihr Blick auf Giselher Klebe im Laufe der Beschäftigung mit seinem Leben und Werk gewandelt?
Antje Tumat: Es ist immer faszinierend, über biografische Quellen und bisher unbekannte musikalische Werke einen so spannenden und vielschichtigen Komponisten wie Klebe neu kennen lernen zu dürfen und tradierte Deutungen zu revidieren. Dieses Neu-Kennenlernen einer komplexen Künstler
persönlichkeit geht eigentlich nie wirklich zu Ende – und kann sich ein Forscherleben lang fortsetzen. Ich habe in der Vorbereitung auf das Jubiläumsjahr
durch die zahlreichen völlig unbekannten Quellen viel Neues auch über Klebe als Person gelernt, und hoffe, dass sich diese Entdeckungsreise weiter
fortsetzt.
Welche Resonanz bzw. welche Nachwirkungen erhoffen Sie sich von dem Festival „Giselher Klebe_100 | Detmold“ in der Fachwelt?
Christian Köhn: Ich erhoffe mir, dass es nach dem Festival wieder mehr Musiker gibt, die sich für Giselher Klebes Musik interessieren und sie auffüh
ren. Das Problem im Moment ist, dass es abgesehen von drei CDs mit Klavier- bzw. Violinmusik und außer einigen halboffiziellen Aufnahmen bei
YouTube kaum die Möglichkeit gibt, seine Stücke zu hören. Was aber nicht gehört werden kann, wird auch nicht gespielt und umgekehrt. Um diesen
Teufelskreis zu durchbrechen, ist geplant, Konzerte unseres Festivals aufzuzeichnen und anschließend in digitaler Form zugänglich zu machen.
Antje Tumat: Ebenso ist es mit Forschung und Lehre: Wenn kaum Material zu einem Komponisten oder einer Komponistin vorliegt, wird zwangsweise
weniger über die Person gelehrt und auch weniger geforscht. Auch hier wollen wir mit dem Symposium und der Ausstellung Impulse für nachfolgende
Forschergenerationen geben: Die Vorträge des Symposiums werden veröffentlicht und Teile der Ausstellung dokumentiert, so dass Interessierte,
hoffentlich durch die dargebotenen Ideen inspiriert, darauf aufbauen können.
Auf welche Veranstaltung innerhalb des Klebe-Festivals freuen Sie sich besonders?
Christian Köhn: Es ist mir tatsächlich unmöglich, eines der Konzerte besonders hervorzuheben. Jedes von ihnen hat ein vielfältiges, abwechslungsreiches
und oft überraschendes Programm, dargeboten von wunderbaren Musikerinnen und Musikern. Daneben freue ich mich natürlich besonders auf
die Ausstellung im Konzerthaus-Foyer.
Antje Tumat: Ich freue mich insbesondere darauf, so viel Musik von Klebe in kurzer Zeit mit den Studierenden gemeinsam erleben zu dürfen, um
dann darüber mit Zuhörenden und Musizierenden gleichermaßen zu sprechen. Wir hoffen natürlich alle, dass sich aus dem Jubiläumsjahr auch neue
Gelegenheiten zu Einspielungen und Aufführungen ergeben und Klebes Musik eine Renaissance erfährt, aber in der jetzigen Situation ist dieses Jubiläum zunächst einmal eine großartige und einmalige Gelegenheit, die in das Programm aufgenommenen Werke live zu hören.
Vielen Dank!






