FOOD FOR THOUGHT
Zweiteiliger Tanzabend von Roy Assaf und Sarah Baltzinger & Isaiah Wilson
PREMIERE 31.10.25 um 20 Uhr im Stadttheater
URAUFFÜHRUNG
Concept No. 31022025 (1. Teil)
Choreografie / Bühne / Kostüme / Musik Roy Assaf Lichtdesign Yair Vardi
Dramaturgie Felix Berning Choreografische Assistenz Richèl Wieles
Getanzt von
Theo Arran / Dorėja Atkočiūnas / Alex Avni / Rhiannon Beausoleil-Morisson / Gaya
Bommer-Yemini / Félix Bossard / Hampus Larsson / Hiro Murata / Chiara Pareo / Jacob
Phillips / Naomi Shirel Turnpu
CO-PRODUKTION MIT DEM SCAPINO BALLETT ROTTERDAM
Goats (2. Teil)
Choreografie Sarah Baltzinger, Isaiah Wilson Komposition Guillaume Jullien
Musikalische Einrichtung Isaiah Wilson Bühne Sarah Baltzinger, Isaiah Wilson, Guido
Verschoor Kostüme Petra Finke Lichtdesign Jan Boiten Dramaturgie Merit Vessies
Getanzt von
Dorėja Atkočiūnas / Gaya Bommer-Yemini / Rhiannon Beausoleil-Morrison / Hampus
Larsson / Hiro Murata / Chiara Pareo / Jacob Phillips
Mit »Food for Thought« präsentiert TANZ Bielefeld zum Saisonauftakt einen zweiteiligen Tanzabend, der als getanztes Gedankenfutter das Publikum zum Schmecken, Nachdenken und Fühlen einlädt. Den ersten Teil gestaltet der international renommierte Choreograf Roy Assaf mit seiner Uraufführung »Concept No. 31022025«. Der Titel spielt auf die Idee von Kunst als Auftragsarbeit an, als eine »Nummer« im System. Assaf positioniert sich jedoch klar gegen vorgefertigte Konzepte und für eine authentische, kollaborative Arbeit mit dem Ensemble. Diese könne, wie er betont, nur durch echte Begegnung entstehen. Über das TANZ Bielefeld-Ensemble sagt er: »Die Tänzer*innen ziehen an einem Strang mit all ihrer Kreativität, ihrem Herz und ihrem Mut. Dann ist alles möglich.« Assafs choreografische Handschrift zeichnet sich durch das Auflösen von Grenzen zwischen Tanz, Theater und Publikum aus. Das Ensemble lernte er über improvisatorische Aufgaben kennen, in einem Austausch aus Bewegung und Sprache. Schnell wurde klar, dass nicht nur die Menschen, sondern auch die Umgebung eine solche Kreation prägt. So entstanden individuelle Texte über das Leben in Bielefeld, und daraus wurden wiederum choreografische und musikalische Experimente. Trotz dieser Vielschichtigkeit möchte Assaf keine Erklärungen über seine Kreation liefern: »Wenn
Menschen klassische Musik hören, stellen sie selten Rückfragen oder suchen nach einer klaren Bedeutung. Zeitgenössischer Tanz sollte genauso intuitiv erlebt werden, weniger deuten, mehr fühlen.« Besonders an diesem Stück ist, dass Assaf nicht nur die Choreografie, sondern auch Bühne, Kostüme und Musik verantwortet. Für ihn greifen diese Disziplinen ineinander und entwickeln sich parallel. »Wenn ich all diese Elemente selbst übernehme, gibt mir
das die maximale Freiheit in der Entwicklung des Tanzes«, erklärt er. In einem feuerroten Bühnenraum treffen bei »Concept No. 31022025« schließlich körperliche Präzision, subtile Ironie und poetische Logik aufeinander. Das Ergebnis soll eine inspirierende Geduldsprobe für das Publikum werden.
Der zweite Teil des Abends stammt von den derzeitigen Shootingstars der europäischen Tanzszene Sarah Baltzinger und Isaiah Wilson. Ihr Stück »Goats« entstand in Zusammenarbeit mit dem Scapino Ballett Rotterdam und feierte am 26. Februar 2025 im Theater Rotterdam Premiere. Seither wurde es mehrfach für Preise nominiert, und das Duo arbeitet inzwischen mit namhaften Tanzcompagnien. Für die Einstudierung mit TANZ Bielefeld wollten die beiden jedoch bewusst eine neue Version schaffen. Anstatt die Rotterdamer Inszenierung zu duplizieren, ließen sie die Tänzer*innen die Rollen für
sich selbst neu erschließen. »Wir haben uns nicht am ursprünglichen Cast orientiert und freuen uns riesig zu sehen, wie diese spezielle Version von Goats wächst«, sagen sie. Die Performer*innen tauchen in eine halluzinatorische Welt aus pastoraler Satire und traumhafter Groteske ein. Das Stück entfaltet sich in einem absurden Universum, in dem die Grenze zwischen Mensch und Tier verschwimmt. Inspiriert von Gilles Deleuzes »Werden Tier«-Philosophie erkundet das Duo das Thema zeitgenössischer Entfremdung. Auf der Bühne verkörpern die Tänzer*innen hybride Wesen, halb Mensch, halb
Ziege, in einem System, in dem sie ihren Platz verloren haben. Ihre einzige Fluchtmöglichkeit liegt in der Verwandlung, einer Rückkehr zum Animalischen, als Versuch, der Grausamkeit der Welt zu entkommen. Zugleich spielt »Goats« mit einer Form von umor, einem Unterton, der sich nie wirklich offen in das Stück einschreibt, sondern im Spannungsfeld von Ernst und Absurdität schwebt. Die Bühne verwandelt sich dabei in eine surreale Landschaft aus Gras, einen Ort zwischen Idylle und Bedrängnis, wo Ritual und Spiel ineinander übergehen. Das Publikum bleibt mit Fragen zurück: Ist dies ein Gefängnis, ein menschlicher Zoo, ein Stadion oder eine Traumwelt? Gerade diese Mehrdeutigkeit macht den besonderen Reiz der Choreografie aus. Baltzinger und Wilson beschreiben die Einstudierung mit TANZ Bielefeld als intensiven und zugleich herausfordernden Prozess. Zu Beginn habe das Ensemble mit einer
gewissen Zurückhaltung auf die eindrucksvolle Inszenierung reagiert. »Natürlich war da anfangs ein gewisser Respekt«, erzählen sie, »denn Goats verlangt absolute Hingabe – körperlich, mental und emotional.« Doch schnell habe sich diese anfängliche Unsicherheit in Vertrauen und Neugier verwandelt. Die Tänzer*innen hätten sich mutig in den Prozess hineingeworfen. Das Ergebnis sei, so Baltzinger, »ein Goats, das von der Persönlichkeit dieser Künstler*innen durchdrungen ist und das ist wunderschön zu sehen.«
Nächste Termine 07.11. / 13.11. / 22.11. / 30.11. / 09.12. / 13.12. / 19.12. / 30.12. /
weitere Termine in Planung Karten T. 0521 51 5454 // www.theater-bielefeld.de
DIE CHOREOGRAF*INNEN
Roy Assaf ist ein israelischer Choreograf und Tänzer, geboren 1982 in Sde Moshe. Nach seiner Ausbildung arbeitete er mehrere Jahre eng mit Emanuel Gat zusammen, bevor er 2010 begann, eigene Stücke zu entwickeln. Mit »Six Years Later« gewann er 2011 den ersten Preis beim International Choreography Competition in Kopenhagen. Ein Jahr später erhielt sein Stück »The Hill« den ersten Preis beim International Competition for Choreographers in Hannover sowie Jury- und Publikumspreise bei der [Re]connaissance Danse Contemporaine in Frankreich. Seitdem sind seine Arbeiten international präsent und wurden u. a. beim Jacob’s Pillow Festival (USA), am Théâtre National de Chaillot (Paris) und bei der Biennale de la Danse in Lyon gezeigt. Zudem schuf er Auftragswerke
für namhafte Companien wie die Batsheva Dance Company, das Royal Swedish Ballet und die Juilliard School in New York. Seine Choreografien verbinden physische Intensität, emotionale Tiefe und subtile Ironie. Sie spiegeln persönliche Erfahrungen ebenso wie kollektive Geschichten wider und werden weltweit von Theatern und Festivals
präsentiert.
Sarah Baltzinger ist eine französische Choreografin und Tänzerin. In ihrer künstlerischen Arbeit erforscht sie die Möglichkeiten des »marionettenhaften Körpers« und verbindet diesen mit unterschiedlichen Materialien, um die natürliche Bewegungsweise zu transformieren. Ihre choreografische Handschrift bewegt sich zwischen absurder Theatralität und intensiver Körperlichkeit. Als Autodidaktin begann sie erst mit 18 Jahren zeitgenössischen
Tanz zu studieren. Parallel dazu absolvierte sie ein Studium in Darstellender Kunst, Kunstgeschichte und Kulturindustrie in Frankreich. Nach ihrer Tätigkeit als Tänzerin bei verschiedenen europäischen Choreograf*innen begann sie 2016, eigene Stücke zu entwickeln. Seither entstanden Werke wie »What Does Not Belong To Us«
(2018), »Don’t You See It Coming« (2021, Auswahl Petites Scènes Ouvertes) Quartett »Rouge Est Une Couleur Froide« (2021). 2023 präsentierte sie mit »Vénus Anatomique« ein Stück für fünf Frauen, das gesellschaftliche Repräsentationen des weiblichen Körpers hinterfragt und zugleich ihre charakteristische Sprache des mechanischen, verzerrten und marionettenhaften Körpers weiterentwickelt.
Isaiah Wilson ist ein in Luxemburg lebender Choreograf und multidisziplinärer Künstler. Seine Arbeit verbindet zeitgenössischen Tanz mit Video, elektronischer Musik und computerbasierter Kunst. So entstehen immersive Welten, die sein Publikum in vielschichtige, sinnliche Erfahrungen eintauchen lassen. Er begann mit elf Jahren zu tanzen und absolvierte seine Ausbildung an der Hochschule Codarts in Rotterdam. Anschließend tanzte er als Praktikant bei ICK Amsterdam unter der Leitung von Emio Greco und Pieter C. Scholtes, bevor er mit Choreograf*innen wie Jill Crovisier und Saar Magal für die Dresden Frankfurt Dance Company arbeitete. Parallel dazu entwickelte er eigene Arbeiten, darunter »Février«, den Tanzfilm »Submerge« sowie das Solo »331 grams«.
Mit seinem Stück »Score« für drei Performer, das Tanz mit elektronischer Muskelstimulation kombiniert, wurde er 2024 in die luxemburgische Auswahl für das Edinburgh Fringe Festival aufgenommen. Sarah Baltzinger und Isaiah Wilson arbeiten seit 2022 auch als künstlerisches Duo. Ihr erstes gemeinsames Stück »Megastructure« wurde 2023 beim renommierten RIDCC (Rotterdam International Duet Choreographic Competition) vielfach ausgezeichnet, u. a. mit dem XL Production Award, der zu einem Auftragswerk für das Scapino Ballet Rotterdam führte. Die daraus entstandene Produktion »Goats« feierte im Februar 2025 Premiere und ging anschließend auf eine internationale Tournee mit rund 40 Vorstellungen. Darüber hinaus wurden sie mit Partnerpreisen von Institutionen wie Nederlands Dans Theater, Skånes Dansteater, Sally Dansgezelschap Maastricht und dem MAAS Theater ausgezeichnet. Im selben Jahr wurden sie in die Auswahl Aerowaves Twenty24 aufgenommen und präsentierten »Megastructure« beim Spring Forward Festival in Wiesbaden. In der Spielzeit 2024/25 sind sie Teil des Up & Coming Lab Programms von NDT. Für 2026 ist eine neue Produktion mit sieben Tänzer*innen in Frankreich und
Luxemburg geplant, realisiert im Rahmen des französischen Netzwerks L’Est Danse. Bis dahin touren sie weiter mit »Megastructure«, das 2024 und 2025 insgesamt über 100 Mal gezeigt wird.