Margot Friedländer und Delphine Horvilleur erhalten den Preis für Verständigung und Toleranz
Am Samstag, den 16. November 2024, verleiht das Jüdische Museum Berlin (JMB) zum 23. Mal den Preis für Verständigung und Toleranz. Die Auszeichnung geht an Dr. h. c. Margot Friedländer und Delphine Horvilleur. Die Laudatio für Margot Friedländer hält Joachim Gauck, Bundespräsident a. D. Baron Eric de Rothschild hält die Laudatio auf Delphine Horvilleur. Hetty Berg, die Direktorin des JMB, überreicht Der Preis für Verständigung und Toleranz
Das JMB zeichnet mit dem Preis für Verständigung und Toleranz seit 2002 Persönlichkeiten aus Kultur, Politik und Wirtschaft aus, die sich auf herausragende Weise um die Förderung der Menschenwürde, der Völkerverständigung, der Integration von Minderheiten und des Zusammenlebens unterschiedlicher Religionen und Kulturen verdient gemacht haben. Der Preis wird im Rahmen eines festlichen Dinners gemeinsam vom JMB und den FREUNDEN DES JMB verliehen.
Anwesende Gäst*innen aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Medien
U. a. Iris Berben, Schauspielerin; W. Michael Blumenthal, Gründungsdirektor des JMB; Otto Fricke, Mitglied des Deutschen Bundestages; Prof. Dr. Dr. Michel Friedman, Publizist; Dr. Felix Klein, Beauftragter der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus; Monika Grütters, MdB, Staatsministerin a. D.; Dr. Gideon Joffe, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde zu Berlin; Sandra Maischberger, Moderatorin; Herta Müller, Schriftstellerin; Annette Schavan, Bundesministerin a. D., Vorsitzende Gemeinnützige Hertie-Stiftung; Regine Sixt, Sixt SE; Dr. Friede Springer, Verlegerin; Düzen Tekkal, Autorin, Gründerin und CEO HÁWAR.help e.V. & GermanDream GmbH; Ulrich Wickert, Journalist und Autor; Mira Woldberg, Stellvertretende Botschafterin, Botschaft des Königreichs der Niederlande, Berlin.
Preisträgerin Margot Friedländer
In der Begründung für die Vergabe des Preises an Margot Friedländer heißt es u. a.: „Als Zeitzeugin engagiert sich Margot Friedländer seit vielen Jahren und trotz ihres hohen Lebensalters mit schier unfassbarer Kraft gegen Hass und Ausgrenzung. Dass sich Margot Friedländer der Aufgabe verschrieben hat, im Land der Täter von ihren persönlichen Erinnerungen an die nationalsozialistische Unterdrückung und Verfolgung sowie an die Shoah zu erzählen, diese schmerzhaften Erinnerungen präsent zu halten und das Risiko eingeht, dass sie sich einer Begegnung mit Menschen aussetzt, die von den ungeheuerlichen Verbrechen noch nie gehört haben, den Holocaust verharmlosen oder leugnen oder gar daran beteiligt waren – das beeindruckt stark. Damit diese Arbeit auch in einer Zukunft ohne Zeitzeugen fortgesetzt wird, hat sie 2023 die Margot Friedländer Stiftung gegründet. Margot Friedländer setzt sich für Toleranz und Menschlichkeit, Freiheit und Demokratie ein. Sie fordert uns durch ihr Vorbild dazu auf und motiviert uns gleichzeitig dazu, gegen Antisemitismus und Rassismus einzutreten.“
Geboren als jüdische Deutsche 1921 in Berlin, deportiert 1944 ins Konzentrationslager Theresienstadt, befreit im Mai 1945, entging Margot Friedländer nur knapp dem Tod durch den nationalsozialistischen Terror. Mehrere Emigrationsversuche der Familie scheiterten. Ihr Vater starb 1942 in einem Vernichtungslager, ihre Mutter und ihr Bruder wurden 1943 verhaftet und im KZ Auschwitz ermordet. Der 21-jährigen Margot gelang es zunächst, in Berlin unterzutauchen. 1944 wurde sie jedoch ebenfalls verhaftet und nach Theresienstadt deportiert. Als einzige in ihrer direkten Familie überlebte sie den Holocaust. 2008 erschien ihre Autobiografie Versuche, dein Leben zu machen. Als Jüdin versteckt in Berlin. Nach über sechs Jahrzehnten im Exil in New York kehrte sie im Alter von 88 Jahren in ihre Heimat Berlin zurück und nahm wieder die deutsche Staatsbürgerschaft an. Schon vor ihrem Umzug begann sie mit ihrem Engagement für Freiheit, Demokratie und Menschlichkeit, das sie bis zum heutigen Tag fortsetzt.
Preisträgerin Delphine Horvilleur
„Bereits seit langem arbeitet Delphine Horvilleur intensiv mit muslimischen und christlichen Intellektuellen und Geistlichen zusammen. Der Dialog zwischen den Religionen, die Suche nach Gemeinsamkeiten und die Überwindung von Ängsten, Grenzen und Vorurteilen ist im Fokus ihres Schaffens. Für Horvilleur ist die Auseinandersetzung mit diesen Themen aber nie nur eine theoretische Fragestellung, sondern auch eine praktische Aufgabe, der sie sich in ihrer alltäglichen seelsorgerisch-sozialen Arbeit als Rabbinerin stellt. Sie setzt sich für marginalisierte Gruppen in der Gesellschaft ein und bringt Menschen unterschiedlicher Glaubensrichtungen zusammen“, so die Begründung der Jury.
Delphine Horvilleur, 1974 in Nancy geboren, ist eine bekannte Persönlichkeit im Bereich der jüdischen Kultur und Religion in Frankreich. Sie ist eine der Rabbinerinnen des Judaïsme En Mouvement, der liberalen jüdischen Bewegung Frankreichs in Paris, und arbeitet als Schriftstellerin. Einige ihrer Bücher wurden bereits ins Deutsche übersetzt: Überlegungen zur Frage des Antisemitismus (2020), Mit den Toten leben (2022) und Wie geht’s? Miteinander sprechen nach dem 7. Oktober (2024). Horvilleur ist außerdem Gründungsmitglied von KeReM, dem Rat der französischsprachigen liberalen Rabbiner, und Chefredakteurin der Online-Zeitschrift für jüdische Sichtweisen TENOU‘A. Seit 2018 leitet sie die Workshops Ateliers Tenoua – Studien- und Dialogveranstaltungen, die jeden Monat rund 300 Menschen in Paris zusammenbringen.
Die Preisträger*innen 2002 bis 2023
Berthold Beitz, Vorsitzender des Kuratoriums der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung, und Heinrich von Pierer, ehemaliger Vorstandsvorsitzender der Siemens AG (2002), Otto Schily, Bundesinnenminister a. D., und Friede Springer, Verlegerin (2003), Michael Otto, Unternehmer, und Bundespräsident a. D. Johannes Rau (2004), Heinz Berggruen, Sammler und Mäzen, und Otto Graf Lambsdorff, Politiker (2005), Daniel Barenboim, Pianist und Dirigent, und BMW-Manager Helmut Panke (2006), Bundeskanzler a. D. Helmut Kohl und Fritz Stern, Historiker (2007), Roland Berger, Unternehmensberater, und Literaturnobelpreisträger Imre Kertész (2008), Franz Fehrenbach, Manager, und Dr. Christof Bosch, Mitglied des Kuratoriums Robert Bosch Stiftung GmbH, und Michael Verhoeven, Filmregisseur (2009), Jan Philipp Reemtsma, Literaturwissenschaftler, und Wirtschaftsmanager Hubertus Erlen (2010), Bundeskanzlerin a. D. Angela Merkel (2011), Klaus Mangold, Vorsitzender des Aufsichtsrates Rothschild, und Bundespräsident a. D. Richard von Weizsäcker (2012), Berthold Leibinger, Gesellschafter TRUMPF GmbH + Co. KG, und Schauspielerin Iris Berben (2013), Verleger Hubert Burda und Bundesminister der Finanzen Wolfgang Schäuble, MdB (2014), W. Michael Blumenthal, Gründungsdirektor des JMB (2015), Renate Lasker-Harpprecht und Anita Lasker-Wallfisch sowie Unternehmer Hasso Plattner (2016), Joe Kaeser, Vorsitzender des Vorstands der Siemens AG und Bundespräsident a. D. Joachim Gauck (2017), Susanne Klatten, Unternehmerin, und David Grossman, Schriftsteller (2018), Bundesaußenminister a. D. Heiko Maas und Künstler Anselm Kiefer (2019), US-amerikanische Außenministerin a. D. Madeleine Albright und Igor Levit, Pianist (2020), Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, und Architekt Daniel Libeskind (2021), Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller, Barrie Kosky, Theater- und Opernregisseur (2022), Dr. Corinne Michaela Flick, Gründerin und Vorständin der gemeinnützigen CONVOCO! Stiftung, und Prof. Dr. h. c. Wolfgang Ischinger, Präsident des Stiftungsrats der Stiftung Münchner Sicherheitskonferenz (2023).