Farbenberge und Farbmeere: Zwei Werkgruppen des Malers Felix Rehfeld
Der Künstler Felix Rehfeld und Initiatorin dieser Ausstellung Almut Schmersahl
Die Lippische Gesellschaft für Kunst zeigt vom 6. Juli bis zum 31. August 2025 zwei Werkgruppen des in München lebenden Malers Felix Rehfeld (*1981).
Felix Rehfeld. Malerei
6.7. – 31.8.2025, Schlossküche Detmold
Der Berg ruft
Das Matterhorn. 4478 Meter Mythos. DAS Wahrzeichen der Schweiz. Matterhorn (ital. Monte Cervino oder Cervino, frz. Mont Cervin oder Le Cervin, walliserdeutsch Hore oder Horu); aber auch: ein Landschaftsgemälde von Felix Rehfeld.
Was treibt einen zeitgenössischen Künstler an, die unverwechselbar pyramidale Silhouette des berühmtesten Schweizer Berges zu malen, den Adjektive wie „erhaben, enthoben, unbezwingbar“ nur unzureichend beschreiben?
Einem Berg, dessen Gipfelkopf bereits 1908 so allgegenwärtig präsent war, ben. dass sie den Chocolatier Theodor Tobler dazu inspirierte, seiner neu kreierten Honig-Mandel-Nougat-Schokolade die charakteristische Dreiecksstruktur zu geben?
Einem Berg, dessen Erstbesteigung bereits im Stummfilm „Der Kampf ums Matterhorn“ mit – natürlich – Luis Trenker in der Hauptrolle verfilmt wurde und der einem ganzen Filmgenre, dem Bergfilm, den Namen gab, der neben Trenker mit so schillernden Figuren wie Arnold Fanck und Leni Riefenstahl verbunden ist, und der einem bis heute vergebenen Filmpreis für den besten Bergfilm des Jahres seinen Namen leiht: „Das goldene Matterhorn“.
„I have been photographed to death”, erkannte Marlene Dietrich einst und verbat sich, weiterhin fotografiert zu werden. Das Matterhorn vermag das nicht. It has been photographed (und ich ergänze: filmed) to death. Was also kann Felix Rehfeld damit tun?
Farbseen – Farbfelder
Wenn Felix Rehfeld das „Matterhorn“ malt, hat er nicht das zu Tode fotografierte Postkartenszenario, kein Bergfilmklischee vor sich, sondern die plane Fläche der Leinwand. Ihn interessiert die Materialität des Bildes, das Material der Malerei: Farbe und Leinwand, der Malgrund und die Fläche, die der Keilrahmen umschließt. Wie ein Alpinist vor dem Aufstieg, der weiß, dass jeder Gang ins Unbekannte eine neue Herausforderung darstellt, sieht sich Felix Rehfeld bei jedem Berg-Bild „von neuem zu malerischen Auseinandersetzungen herausgefordert“.
Nähert man sich den Werken Rehfelds, erkennt man zunächst die Landschaftsformation, den erhabenen Felssolitär, in gleißendes, morgenkühles oder abendrötliches, immer stimmungsvolles Licht getaucht. Doch dann wird die dreidimensional, auf Wiedererkennbarkeit angelegte Motivik schnell konterkariert durch die massiv aufgetragene Farbe, die zum Beispiel den Himmel mit breiten, horizontal geführten Pinselstrichen gestaltet. Ausgerechnet die vom Motiv Himmel suggerierte unendliche Tiefe erscheint als plane Streifenfläche.
Nimmt man dann die Felsformation genauer in den Blick, so erscheint sie als Gefüge pastos und streifig aufgetragener Farbflächen, ergänzt um Farbschlieren, Farbbögen, Farbfelder, Farbberge und Farbseen.
Berge von Bergen
Felix Rehfeld beschreibt seine Intention wie folgt: (…) „ich habe eigentlich die Farbe selbst zum Motiv der Bilder gemacht. So bin ich auch auf das Motiv des Berges gekommen. Weil ich im Atelier Farben arrangiert habe, um sie wieder zu malen. Also, ich baue aus Farben Modelle, mit denen ich im Anschluss wieder Malerei mache. So kam ich eigentlich zu Bergen. Ich habe begonnen, aus Farben Berge zu bauen und habe Berg-Skulpturen aus Farbe gemacht. Daraus ist ein Idealbild geworden: Die Skulptur dient als Stellvertreter für einen Berg. Wenn man auf einen Berg schaut, ist das auch einfach eine natürliche Skulptur. Er ist zwar Teil der Landschaft, aber auch im Idealfall ein frei stehender Gipfel, eine Anhäufung von Material, von Gestein. In meinem Modell ist es eine Anhäufung von Ölfarbe.“
Nicht der touristische Blick auf die naturschöne Landschaft bestimmt also Rehfelds Sicht auf den Berg, vielmehr das Malmaterial Ölfarbe mit ihrer Formbarkeit und pastosen Festigkeit.
Auch wenn er Fotografien von Bergen durchaus als „Stützräder“ (Felix Rehfeld) in seinen Malprozess integriert, ist doch der Entstehungsprozess ein anderer: So nimmt er den Berg als natürliche Skulptur und als Modell einer idealen Skulptur wahr. Dem Modellcharakter nähert er sich, indem er zunächst winzige Bergbilder malt, deren kleinste 1,5 x 2 cm oder etwas größer sind. Und auch wenn das Format winzig ist, malt er mit dickem Pinselstrich. Ein, wie er selbst sagt, „absurdes Unterfangen“, das ihm aber vermutlich eine Distanz zu den ikonischen Bildvorgaben verschafft. Auf die winzigen Bergbilder, die „Modelle“, folgen dann kleinere Formate, die er jeweils als Modelle für größere Formate nutzt.
Die Loslösung von abgenutzten Motivvorlagen durch den Zwischenschritt der Modell-Malerei ermöglicht ihm malerische Freiräume: so die wie mit dem Rakel gezogenen Himmel, die pastosen Farbschlieren, Farbblasen und Farbseen, die locker und geradezu grob gemalten Partien, die zwischen Illusionismus und konkreter Materialität changieren:
„Mit meinen künstlerischen Möglichkeiten das Konstrukt eines Berges darzustellen, so dass der Betrachter zwischen Gegenstand und Abstraktion nicht mehr unterscheiden kann und mag, das ist meine Idealvorstellung eines solchen Bildes.“ (Felix Rehfeld)
Mit Farbe Farbe malen
Von der Ferne des Bergs zur Nähe des Farbmaterials: Während Rehfeld in seiner (hier nicht gezeigten) Serie der 1.000 Kleinen Berge aus dem Jahr 2018 das Erhaben-Gigantische auf Briefmarkengröße schrumpft und dem Miniaturformat das Gigantische der Zahl 1.000 entgegensetzt, nimmt die Serie der Weißen Bilder ihren Ausgang im Detailblick direkt auf die Palette des Malers.
Dass dabei die Erfahrung mit dem „Schneeweiß“ auf den Bergbildern die Farbwahl beeinflusst hat, steht zu vermuten: „Es war das Nichts, das weiße, wirbelnde Nichts, worein er blickte, wenn er sich zwang, zu sehen. (…)“, so schildert Thomas Mann Hans Castorps Erlebnisse im Schnee-Kapitel des „Zauberbergs“, dass das Unmenschlich-Unfassbare der weißen Schneewüste in einem farbflimmernden Fiebertraum fasst.
Fünf Werke in drei Größen aus der Serie Weiße Bilder zeigen Farbe. Nichts als Farbe. Weiße Farbe. Was zunächst redundant erscheinen mag, nämlich mit Farbe Farbe zu malen, erweist sich in Sujet wie Ausführung als glänzend durchdachte und ästhetisch äußerst raffinierte Auseinandersetzung mit den Grundlagen der Malerei.
Mit Farbe Farbe malen heißt bei Rehfeld, den Ausschnitt einer Weißfläche von der Palette als Bildmotiv auf die Leinwand zu bringen und die beim Ausdrücken aus der Tube und dem Verteilen auf der Palette entstandene Farbmasse mit ihren Höhungen und Vertiefungen, den Schlieren, Rissen und Löchern nun als gemalte Farbmasse zu erschaffen. War vorher eine Luftblase durch das Verteilen des Farbmaterials real-materiell entstanden, malt Rehfeld sie nun quasi illusionistisch ab und erschafft sie damit neu. Vom Material Farbe zur Farbfeldmalerei.
Mit welcher Farbe malt man eigentlich Weiß? Die Frage ist nicht trivial, denn wie kann man die Erhöhungen, Schattierungen, den Glanz der Oberfläche und stumpfe, rauhe Partien malen? Felix Rehfelds Weiße Bilder sind von großer Farbigkeit, von Eierschalenfarbe zu Cremeweiß, von zartem Grauweiß hin zu bläulichen, gelblichen oder zarten Roséweißtönen. Sie sind mal glänzend, mal stumpf, mal sahnig leicht, mal kompakt und fest. Weiß ist nicht weiß, das wissen nicht nur die Inuit, obwohl sich die Erzählung, dass sie mehr als 40, manchmal 50 verschiedene Wörter für Schnee hätten, längst als wissenschaftlicher Hoax erwiesen hat.
Der Maler als Forscher
Einem Alpinisten gleich, der an immer höheren, unzugänglicheren Bergen neue Herausforderungen sucht und seine Grenzen testet, startet Felix Rehfeld seine Arbeit, mit der er malerisches Neuland betritt. Dabei gehen seine Bildserien über ihren ersten Anschein als Versuchsreihen weit hinaus. Gerade in der Wiederholung und Variation des Themas wird dessen Reichtum anschaulich.
Vom Weiß zum Gold. Wie malt man Gold? Wie überführt man die kostbare Materialität des Goldes in die farbliche eines Gemäldes? Felix Rehfelds Goldene Bilder zeigen es. Die glänzende Oberfläche des Goldes und ihre spezifische Haptik wiederum führt ihn zu seinen Spiegel-Bildern, die ortsspezifisch so konzipiert sind, dass sich in ihnen der reale Ausstellungsraum zu spiegeln scheint. Damit erzeugt der Künstler größtmögliche Realität bei gleichzeitig größtem Illusionismus.
Felix Rehfelds reiches Werk, von dem in der Schlossküche naturgemäß nur ein kleiner Ausschnitt präsentiert werden kann, changiert wischen Gegenständlichkeit und Abstraktion, zwischen Illusion und Konkretion, zwischen Ferne und Nähe seiner Bildmotive.
Jede seiner Serien ist in ihrer gedanklichen wie ästhetischen Herausforderung ein Gang auf einem Höhenkamm, mutig, nach vorn, absturzgefährdet zwar, aber mit voller Aussicht auf den Gipfel: Ästhetische Erstbesteigungen.
Christiane Heuwinkel, 6.7.2025
Felix Rehberg und der Cellist Artei Theotonio, der die Gäste zur Eröffnung der Ausstellung mit
seiner Musik erfreute
Felix Rehfeld wurde 1981 in Hadamar/ Niederzeuzdorf geboren und lebt und arbeitet in München
1997-2000 Ausbildung zum Tischler
2003-2008 Studium der freien Kunst an der Hochschule für Künste in Bremen
2007 Meisterschüler bei Karin Kneffel
2008- 2010 Studium und Diplom an der ADBK München bei Karin Kneffel
2010- 2016 Künstlerische Mitarbeit an der ADBK München bei Karin Kneffel