40 Jahre Shoah Vor genau 40 Jahren, am 30. April 1985, wurde Claude Lanzmanns Film Shoah in Paris uraufgeführt: ein Film, der weltweit die Wahrnehmung des Holocausts veränderte. Über neun Stunden und 26 Minuten spricht Lanzmann, Enkel jüdischer Immigrant*innen aus Osteuropa, mit unterschiedlichen Zeitzeug*innen. Claude Lanzmann (1925–2018) hatte während seiner Recherchen in den Jahren vor Beginn der Dreharbeiten Tonaufnahmen mit Zeitzeug*innen und Expert*innen gemacht. Unterstützt von seinen Mitarbeiterinnen Corinna Coulmas und Irena Steinfeldt-Levy führte er hierfür Gespräche mit Überlebenden der Ghettos und Konzentrationslager, mit Widerstandskämpfer*innen, Historiker*innen, Geistlichen, Intellektuellen, Politiker*innen und Täter*innen. Lanzmann und sein Team fuhren nach Israel und in die USA, die Schweiz, in beide Teilen Deutschlands, nach Österreich, Großbritannien und nach Polen, um dort Personen und Orte aufzusuchen, die ihnen Aufschluss über die Geschichte der Schoa geben würden. Ende 2021 schenkte Lanzmanns Witwe dem Jüdischen Museum Berlin (JMB) Lanzmanns Audio-Archiv. Insgesamt handelt es sich um mehr als 220 Stunden Tonmaterial. Seit Mai 2023 zählt das Lanzmann-Audio-Archiv – zusammen mit Shoah – zum UNESCO-Weltkulturerbe. „Seit April 2024 arbeitet das JMB daran, das Lanzmann-Audio-Archiv sowohl für die Forschung als auch für die breite Öffentlichkeit zugänglich zu machen“, so Kuratorin Dr. Tamar Lewinsky. „Dazu werden alle Audioaufnahmen verschriftlicht und ins Deutsche und Englische übersetzt. Darüber hinaus recherchieren wir die Hintergründe zu den Aufnahmen, wir systematisieren und annotieren.“ Ohne Erläuterungen ist es schwer, den Gesprächsinhalten zu folgen, es braucht Hinweise auf viele Fragen, die sich stellen: Wer spricht? Von welchen Ereignissen und Entwicklungen ist die Rede? Welche Orte werden genannt? „Zum 40. Jubiläum der Uraufführung von Shoah und anlässlich von Claude Lanzmanns 100. Geburtstag veröffentlichen wir erstmals ein einzigartiges Zeugnis der Filmgeschichte. Ab dem 27. November 2025 ist es in Ausschnitten in einer Ausstellung und in unserem Online-Lernangebot JMB di.kla zugänglich. Bis Ende 2027 wird das gesamte Material zudem online verfügbar sein”, freut sich Hetty Berg, Direktorin des Jüdischen Museums Berlin. „Das Lanzmann-Audio-Archiv gewährt einen tiefen Einblick in Lanzmanns Arbeitsweise und die Entstehung seines epochalen Werks. Die intensiven, ungekürzten Gespräche mit Zeitzeug*innen eröffnen zudem vielstimmige und eindrückliche Perspektiven auf die Schoa.“ |
Die Förderung des Auswärtigen Amts und der Alfred Landecker Foundation ermöglichen die Erschließung und digitale Aufarbeitung von Lanzmanns Audio-Archiv.
„Wir freuen uns ganz besonders, dieses so wichtige Projekt zu unterstützen, da es unser Anliegen als Auswärtiges Amt ist, in diesen Zeiten, in denen antisemitische Narrative wieder weltweit lauter werden, die Erinnerung an die Schoa zu stärken und die Zeitzeugenschaft auch für kommende Generationen erfahrbar zu machen. Mit der Förderung der Vermittlungsarbeit zu Claude Lanzmanns Audio-Archiv möchten wir als Auswärtiges Amt zur Weiterentwicklung einer lebendigen Erinnerungskultur beitragen“, sagt Botschafter Christian Heldt, Sonderbeauftragter des Auswärtigen Amts für die Beziehungen zu jüdischen Organisationen, Antisemitismusfragen, internationale Angelegenheiten der Sinti und Roma und Holocaust-Erinnerung.
„Die Alfred Landecker Foundation steht für eine zukunftsgerichtete Erinnerungskultur – darum ist die Förderung dieses Projekts für uns von fundamentaler Bedeutung. Das Lanzmann-Audio-Archiv bewahrt nicht nur historische Stimmen, es gibt auch kommenden Generationen Zugang zu einer Wahrheit, die niemals verloren gehen darf. Gerade jetzt, da das Ende der Zeitzeugenschaft unmittelbar bevorsteht, wird diese Erschließung umso dringlicher: Sie macht Erinnerungen hörbar, bevor sie für immer verstummen – und hält sie im Bewusstsein einer offenen Gesellschaft lebendig. In Zeiten wachsenden Antisemitismus ist das eine zentrale demokratische Aufgabe“, so Lena Altman, Co-CEO der Alfred Landecker Foundation.