PREMIERE Sa. 07.12.24, 19:30 Uhr, Stadttheater
Endstation Sehnsucht
(A Streetcar Named Desire)
André Previn
Oper in drei Akten / Libretto von Philip Littell / Basierend auf dem gleichnamigen Drama von Tennessee Williams / In englischer Sprache mit deutschen Übertiteln Musikalische Leitung Anne Hinrichsen Inszenierung Wolfgang Nägele Bühne und Kostüme Stefan Mayer Dramaturgie Laura Herder Mit Dušica Bijelić / Todd Boyce / Hella Dräger / Mayan Goldenfeld / Krszysztof Gornowicz / Cornelie Isenbürger /
Tomas Kildišius / Ramon Riemarzik / Tilman Rose / Lorin Wey / Marta Wryk / Bielefelder Philharmoniker
New Orleans. Blanche DuBois kommt bei ihrer Schwester Stella und ihrem Mann Stanley Kowalski unter. Sie hat alles verloren: Das Familienanwesen »Belle Rêve«,ihr gesamtes Vermögen und auch ihr Job als Lehrerin sind passé. Nur schwer verkraftet sie, was ihr widerfahren ist. Der Abstieg in den Alltag der Stadt, weit weg von ihrem aristokratischen Traum, lässt sie immer labiler werden. Ihr zart besaitetes Wesen prallt auf den derben, einfachen und gewaltbereiten Stanley, der sie hasst.
Als Blanche sich schließlich für einen Verehrer schön macht, den es gar nicht gibt, als Stella sich weigert, zu glauben, dass ihr eigener Mann ihre Schwester vergewaltigt hat, als Blanche in die Psychiatrie eingewiesen wird, ist der Tiefpunkt erreicht: Endstation Sehnsucht.
Mit »A Streetcar Named Desire« gelang dem amerikanischen Dramatiker Tennessee Williams bereits sein zweiter durchschlagender Erfolg und der endgültige Durchbruch: Auf die Premiere des Dramas am New Yorker Broadway am 3. Dezember 1947 folgten weit über achthundert Vorstellungen. Williams erhielt für das Werk, im deutschsprachigen Raum unter dem eindrücklichen Titel »Endstation Sehnsucht«
bekannt, den Kritiker- und den renommierten Pulitzer-Preis. Spätestens mit der schwarz-weiß Verfilmung aus dem Jahr 1951 von Regisseur Elia Kazan, mit dem auch Marlon Brando in der Rolle des Stanley zu einem Weltstar wurde, ist »Endstation Sehnsucht« ein international gefeiertes Gesamtkunstwerk – und bewegt bis heute.
Williams’ zeichnete die Hauptfiguren Blanche, Stella und Stanley Kowalski, Pokerfreund Mitch, mit dem Blanche kurzzeitig eine Beziehung führt, und die Nachbarn Eunice und Steve Hubbel in seinem Drama bereits äußerst detailreich und realistisch. Sie sind Abbilder einer Gesellschaft, die in ihren Gegensätzen zwischen arm und reich, gebildet und ungebildet, kultiviert und verroht, devot und dominant,
empathisch und egoistisch sowie tolerant und kompromisslos immer wieder in Konflikt miteinander, mit sich selbst und schließlich mit Wirklichkeit und Illusion geraten. Keine der Figuren erscheint dabei eindimensional, ist jemals nur »gut« oder nur »schlecht« – nicht einmal die wohl gegensätzlichsten, Blanche und Stanley.
Beinahe leitmotivisch gestaltet Williams sein Drama mittels Metaphern, Bildern und – das ist besonders – Musik, die er in Didaskalien wie Dialogen festhält.
Dass Komponist und Pianist André Previn daraus ein Werk für die Opernbühne schuf, scheint damit ein naheliegender Schluss. 1998 in San Francisco uraufgeführt, übertrug Previn in seiner Oper »Endstation Sehnsucht — A Streetcar Named Desire« nicht nur die Tragik, den fiktiven Realismus, die gespielte Künstlichkeit und Brutalität in die Musik — es gelang ihm auch, die Umgebung, das Leben der Stadt New
Orleans hörbar zu machen. Dabei griff er kunstvoll auf seine gesamte musikalische Bandbreite zurück: Jazz, Filmmusik, Avantgarde.
Previn, geboren 1929 in Berlin, flüchtete als Kind mit seiner jüdischen Familie in die Vereinigten Staaten. Als Pianist machte er dort Karriere, gehörte zum Kreise amerikanischer Jazz-Größen und bekam als erster Jazzmusiker sogar eine Goldene Schallplatte. Später wurde er Dirigent und als Komponist vierfacher Oscarpreisträger für die beste Filmmusik, u.a. für »My Fair Lady« (1965) und »Porgy und Bess« (1960), er
erhielt einen Grammy und 2011 sogar das Große Verdienstkreuz.
Wolfgang Nägele, Hausregisseur des Theaters Bielefeld, setzt in seiner Inszenierung dicht am Realismus Tennessee Williams’ und am Bild einer amerikanischen Gesellschaft an – mit der US-Wahl im November 2024 und den gesellschaftspolitischen Veränderungen aktueller denn je. Gemeinsam mit Bühnen- und Kostümbildner Stefan Mayer versetzt er die Welt um Blanche und Stella in die Gegenwart und
mehr noch: in eine echte Zweizimmerwohnung. Das kleine, spartanische Zuhause der Kowalskis, in der sich die Handlung wie ein Kammerspiel abspielt, wird nicht nur zum räumlichen Zentrum des Opernabends. In dieser Enge, Tristesse und Kleingeistigkeit wird das Gesangsensemble zu musikalisch wie darstellerisch nahbaren Figuren, die über Liebe und Gewalt, Existenzsorgen, Trauma und geplatzte Träume ebenso wie ihre Hoffnung auf eine bessere Zukunft verhandeln. Ein Psychogramm kranker Perversität und Surrealität, mit dem die »Familie« um Blanche DuBois der brutalen Wahrheit ihrer Realität zu entfliehen versucht, entsteht.
Dušica Bijelić übernimmt mit der Rolle der Blanche DuBois nach der Titelrolle in Leoncavallos »Zazà« und der Rolle der Vigdis in »The Convert« einmal mehr eine charakterstarke und anspruchsvolle Hauptpartie, in der sich dieses Mal großer amerikanischer Traum mit depressiver Niedergeschlagenheit abwechseln. Cornelie Isenbürger als Stella Kowalski, Blanches Schwester, ist hin- und hergerissen
zwischen ihrem Mitgefühl für ihre Schwester und dem Leben, für das sie sich mit der Gründung einer Familie endgültig entschieden hat. Stanley Kowalski, gesungen vom Preisträger des Bielefelder Operntalers, Todd Boyce, ist es, mit dem Stella ihre Zukunft plant und seine Brutalität und Gewaltbereitschaft auszublenden versucht.
An Stanleys Pokertisch nehmen seine Kumpel Mitch, verkörpert von Lorin Wey, und Steve, dargestellt von Schauspieler Tilman Rose als Gast, Platz. Letzterer wohnt mit Frau Eunice Hubbel, gesungen von Marta Wryk, in der Nachbarwohnung der Kowalskis. Als Unheil prophezeiende Blumenverkäuferin ist Mayan Goldenfeld zu erleben, Tomas Kildišius, Sänger des Bielefelder Studios, ist als Young Collector, einem Zeitungsverkäufer, Blanches Avancen ausgesetzt. Ramon Riemarzik und Krzsysztof Gornowicz sind alternierend in der Rolle des Doktors, der Blanche gemeinsam mit der Krankenschwester, Tänzerin des Bielefelder Studios Hella Dräger, in die Psychiatrie einweist, auf der Bühne zu sehen. Für die musikalischenGeschicke am Pult der Bielefelder Philharmoniker zeichnet Kapellmeisterin und Studienleiterin Anne Hinrichsen verantwortlich.
Nächste Termine / 11.12. / 20.12. / 28.01. / 08.02. / 23.02. / 07.03. / 23.03.
Karten T. 0521 51 5454 // www.theater-bielefeld.de
MUSIKALISCHE LEITUNG
Seit der Spielzeit 2020/21 wirkt Anne Hinrichsen als Studienleiterin und Kapellmeisterin am Theater Bielefeld, wo sie seit der Spielzeit 2024/25 den Posten der koord. 1. Kapellmeisterin inne hat. In Bielefeld verantwortete sie bisher die musikalische Leitung für Produktionen wie »Dunkel ist die Nacht, Rigoletto!«, »Rusalka«, »Berlin Alexanderplatz« (UA), »Zazà« (WA) und »The Convert« (Deutsche Erstaufführung) sowie verschiedener symphonischer Formate. Gastdirigate führten sie zum Orquesta de València, Oviedo Filarmonía, zu den Jungen Sinfonikern Ostwestfalen und dem Berner Symphonieorchester.
Die gebürtige Norddeutsche studierte Klavier in Lübeck und Freiburg, setzte ihre Ausbildung im Rahmen der Orchesterakademie des Zürcher Opernhauses in den Bereichen Orchesterklavier und Korrepetition fort und spielte in Orchestern wie dem Lucerne Festival Orchestra, der Philharmonia Zürich und dem Philharmonischen Staatsorchester Hamburg. Ihre umfassenden Fähigkeiten als Klavierbegleiterin führten Anne Hinrichsen an die Zürcher Hochschule der Künste, wo sie bis 2020 als Korrepetitorin und Dozentin des PreCollege im Fach Blattspiel/Korrepetition angestellt war. Neben ihrer Tätigkeit als Chorleiterin wirkte sie zudem über mehrere Jahre am Konzert Theater Bern als Korrepetitorin, Assistentin und musikalische Leiterin und übernahm dort ihre ersten Nachdirigate.
In der Saison 2024/25 leitet sie u. a. die Kinderoper »Die kleine Hexe« (F. Wittenbrink) an der Komischen Oper Berlin und wird darüber hinaus als Gastdirigentin an die Bühnen Bern zurückkehren.
INSZENIERUNG
Wolfgang Nägele ist dem Theater Bielefeld schon seit einigen Jahren verbunden und hat hier bereits sehr erfolgreich inszeniert, u.a. »Berlin Alexanderplatz«, »Dead Man Walking«, »Paradise Reloaded« und zuletzt »Falstaff«. Zu seinen weiteren Regiearbeiten zählen Musiktheater- und Schauspielinszenierungen u.a. an der Bayerischen Staatsoper, der Deutschen Oper Berlin, der Hamburgischen Staatsoper,
der Staatsoper Hannover, dem Luzerner Theater, dem Staatstheater Mainz, dem Staatstheater Darmstadt und der Musikbiennale Venedig. Von 2007 bis 2016 verband ihn eine enge Zusammenarbeit mit dem renommierten Theater- und Opernregisseur Hans Neuenfels. Seit der Spielzeit 2023/24 ist er Hausregisseur am Theater Bielefeld.
BÜHNE UND KOSTÜME
Stefan Mayer, geboren in Stuttgart, studierte Bühnenbild an der dortigen Staatlichen Akademie der Bildenden Künste bei Prof. Jürgen Rose sowie Lichtdesign an der Yale Universität. Er war als Bühnenbildner in Freiburg sowie als Ausstattungsleiter am Schauspiel Frankfurt und am Schauspielhaus Bochum engagiert. Zudem war er Ausstatter u. a. des »Faust«-Projekts von Peter Stein im Rahmen der Expo 2000 in
Hannover und bei dessen »Wozzeck«-Inszenierung bei den Salzburger Festspielen. Eine nge Zusammenarbeit verbindet ihn mit Regisseur*innen wie Klaus Michael Grüber, Hans Neuenfels, Leander Haußmann, Jürgen Kruse, Karin Henkel, Nicolas Stemann,
Dimiter Gotscheff, Thomas Vinterberg, Richard Siegal, Philip v. Maldeghem, Alexander Charim, Andreas Gergen und Wolfgang Nägele. Eigene Regieprojekte führten ihn u. a. ans das Schauspielhaus Bochum und das Theater Dortmund. Gemeinsam mit dem Regisseur Wolfgang Nägele realisierte er am Theater Bielefeld bereits 2018/19 »Dead Man Walking« und 2019/20 »Paradise Reloaded (Lilith)«.
BESETZUNG
Blanche Du Bois Dušica Bijelić
Stanley Kowalski Todd Boyce
Stella Kowalski Cornelie Isenbürger
Mitch (Harold Mitchell) Lorin Wey
Eunice Hubbell Marta Wryk
Steve Hubbell Tilman Rose
A Young Collector Tomas Kildišius (Bielefelder Studio 24-26)
Mexican Woman Mayan Goldenfeld
Nurse Hella Dräger (Bielefelder Studio 24-26)
Doctor Krzysztof Gornowicz / Ramon Riemarzik