Kunstpalast (Klicken Sie hier)
Mehr als 120 Arbeiten aus allen Schaffensphasen und Werkgruppen Gerhard
Richters vereint die große Herbstausstellung am Düsseldorfer Kunstpalast. Bei
vielen der ausgewählten Arbeiten handelt es sich um Verborgene Schätze: Werke
aus Privatsammlungen, die zuvor selten oder sogar noch nie öffentlich gezeigt
wurden. In der umfassendsten Gerhard-Richter-Ausstellung in Deutschland seit
über zehn Jahren geben diese Arbeiten Einblick in das gesamte Spektrum seiner
Kunst – von den Anfängen in den frühen 1960er Jahren bis in die jüngste
Vergangenheit.
Gerhard Richter (*1932) zählt weltweit zu den bedeutendsten Künstlern der Gegenwart.
Seit über 60 Jahren lotet er die Grenzen der Malerei aus. In seiner Wahlheimat – dem
Rheinland – fand Richters Werk ein ideales Umfeld, um sich zu entfalten. Hier traf er
auf Gleichgesinnte wie Sigmar Polke und Günther Uecker, Vorbilder und Reizfiguren
wie Joseph Beuys und schließlich auch auf eine so neugierige wie umtriebige
Sammler*innenschaft, die sich rund um die jungen Galerien in Düsseldorf und Köln
gebildet hatte. Für die aktuelle Ausstellung im Kunstpalast holt diese nun ihre Schätze
aus dem Verborgenen hervor.
„Ich bin sehr dankbar für die Bereitschaft der Sammlerinnen und Sammler, uns ihre
Werke Richters vorübergehend anzuvertrauen: Gemälde, die aus den privaten
Wohnzimmern oder Büros der Leihgebenden stammen und hier zum Teil erstmalig
öffentlich gezeigt werden können. Selbst für diejenigen, die Richters Œuvre bereits gut kennen, wird es unter den normalerweise verborgenen Schätzen aus rheinischen
Privatsammlungen Neues zu entdecken geben!“, so Felix Krämer, Generaldirektor
Kunstpalast.
Gerhard Richter nahm wenige Monate nach seiner Flucht in den Westen 1961 ein
Studium an der Kunstakademie in Düsseldorf bei Ferdinand Macketanz auf und
wechselte später zu Karl Otto Götz. Die Stadt „war ungeheuer aufregend mit all den
Ausstellungen und Veranstaltungen, den vielen Künstlern“, erinnerte sich Richter im
Jahr 2004. „Und dann kam der große Glücksfall, dass ich dort an der Akademie die
richtigen Freunde fand, also Sigmar Polke, Konrad Fischer und Palermo, wir erlebten
alles gemeinsam, die ersten Happenings, die Fluxus-Auftritte, die schon eine
ungeheure Wirkung hatten.“
Im Rheinland begegnete Gerhard Richter nicht nur Künstlerkollegen, sondern auch
einer neuen Generation von Sammler*innen, die nicht mehr ausschließlich für private
Haushalte sammelten, sondern ab den 1970er Jahren deutlich expansivere Maßstäbe
anlegten. Der Düsseldorfer Galerist Alfred Schmela lud Richter 1964 zu seiner ersten
Einzelausstellung ein und verschaffte ihm in den folgenden Jahren, um das Geschäft
anzukurbeln, zahlreiche Porträtaufträge von Sammler*innen des Rheinlandes. 1968
stellte Rudolf Zwirner ihn erstmals in seiner Kölner Galerie aus, wo der Sammler Peter
Ludwig sich zum Kauf von Ema (Akt auf einer Treppe, 1966) und dem monumentalen
Gemälde Fünf Türen (1967), entschloss. 1972 erwarb Ludwig schließlich alle 48 Porträts,
Richters Beitrag zur Biennale di Venezia, noch während diese im Deutschen Pavillon
in Venedig ausgestellt waren.
Richters erste institutionelle Ausstellung 1969 im Aachener Kunstverein Gegenverkehr
etablierte einen besonders aktiven Aachener Sammlerkreis. Im Jahr 1970 richtete ihm
Konrad Fischer, der unterdessen in Düsseldorf eine erfolgreiche Galerie eröffnet hatte,
die erste Einzelausstellung aus. 1973 erwarb der Sammler Hans Grothe einen Block von
zwölf Gemälden, die Gerhard Richter selbst für ihn zusammenstellte, darunter das
dreiteilige, 450 cm breite Landschaftsgemälde Alpen II (1968) und Ausschnitt (Makart)
von 1971, die beide in der Ausstellung Verborgene Schätze zu sehen sind.
Das Rheinland war für Richter aber auch ein Ort, der ihm als Labor für experimentelle
Präsentationsformen diente. Hier stellte er erstmalig besondere und manchmal auch
kontroverse Werkreihen vor und konnte die Reaktion des Publikums und der
Sammler*innen beobachten. So präsentierte er 1974 im Museum Abteiberg eine
Ausstellung mit ausschließlich grauen Bildern und 1989 den so genannten RAF-Zyklus
18. Oktober 1977 in Krefeld.
Neben den institutionellen Ausstellungen fanden im Rheinland viele selbst
organisierte Formen des Ausstellens statt, die mit den Konventionen der
Vorgängergenerationen brachen und Neues erprobten. Für einen Düsseldorfer Auftritt
mietete Richter mit seinen Künstlerfreunden 1963 einen leerstehenden Verkaufsraum
und zeigte die Ausstellung Leben mit Pop – eine Demonstration für den
kapitalistischen Realismus. Hier präsentierte er das Werk Party, das er später seinem
Ateliernachbarn Günther Uecker schenkte. Nicht selten kamen auf diese Weise Werke
in Privatsammlungen. Das Kissenbild von 1970 fand den Weg zu Gotthard Graubner:
Mit diesem Werk persifliert Richter auf liebevolle Weise die Kissenbilder des
Künstlerkollegen. Das kleine Format und die Zugewandtheit weisen darauf hin, dass
das Gemälde von vornherein als Geschenk für seinen Freund gedacht war.
„Die Ausstellung ermöglicht einen Einblick in die engen Beziehungen Richters zu
Künstlerkollegen und Sammlerinnen und Sammlern des Rheinlandes, die ihn seit den
frühen 1960er Jahren begleitet und mit ihren Ankäufen in der internationalen Kunstwelt verankert haben.“, so Markus Heinzelmann, Kurator der Ausstellung und
Professor für Museale Praxis an der Ruhr-Universität Bochum.
Manchmal verließen Werke im Tausch gegen erbrachte Leistungen das Atelier von
Richter. Der Steuerberater und Kunstsammler Willi Kemp erhielt aus Dank für einen
kleinen Gefallen, den er dem Künstler getan hatte, eine Arbeit. Als Entlohnung für
seine Dienste bekam auch Richters Mitarbeiter Ludger Schäfer ein Werk.
In den 1980er Jahren treten große Firmen an die Seite der klassischen privaten
Sammler*innen. Die Victoria Versicherung (heute ERGO) erteilt Richter den Auftrag
über zwei große Gemälde für den Empfangsbereich ihrer Zentrale: Victoria I und II,
jeweils sechs Meter hoch und vier Meter breit. Diese Werke können im Foyer des direkt
neben dem Kunstpalast gelegenen Firmengebäudes als Teil der aktuellen Schau von
allen Museumsbesucher*innen im Anschluss an den Ausstellungsrundgang kostenfrei
besichtigt werden.
Die Sammlung Haniel erwirbt drei abstrakte Bilder, mit denen sie ihre Kollektion
informeller Werke aus der Nachkriegszeit in die Gegenwart fortführt. Die Henkel AG,
die Hypo Bank Düsseldorf, die Bayer AG und viele andere erwerben repräsentative
Arbeiten oder geben sie in Auftrag.
Seit den frühen 1990er Jahren sammelt Thomas Olbricht Werke von Gerhard Richter,
darunter befinden sich herausragende Gemälde von den frühen Fotobildern bis zu den
letzten abstrakten Arbeiten aus dem Jahr 2017. Sein „Markenzeichen“, wie er selbst sagt,
sind die Editionen. Olbricht ist der einzige Sammler, der sämtliche Editionen von Gerhard
Richter besitzt und häufig der einzige nicht-institutionelle Sammler.
Im Rheinland hat das Sammeln von Kunst eine lange Tradition. Schon früh waren damit
strategische Absichten verbunden, die den Zusammenhalt der eigenen Sammlung im
Blick hatten und den eigenen Namen in der Geschichte verankern sollten. Dabei traten in den Jahren, als frühe Sammler*innen sich aus finanziellen Gründen zurückzogen, die
großen Konzerne in den Vordergrund, für die Richter bedeutende Auftragsarbeiten plante
und realisierte. Die Führung des systematischen Werkverzeichnisses seiner Gemälde übte
dabei auf Sammler*innen eine besondere Attraktivität aus und nimmt einen Status
zwischen Dokumentation und Werk ein.
Mit rund 120 Werken ermöglicht die Schau im Kunstpalast nun einen Überblick über das
gesamte Œuvre Richters von den frühen 1960er Jahren bis hin zu seinen letzten
Gemälden, die das Atelier 2017 verlassen haben. Die gezeigten Werke wurden von
engagierten Sammler*innen und seit den 1980er Jahren auch von großen Unternehmen
erworben, zum Teil mit Künstlerkollegen getauscht. Viele der Arbeiten wurden über die
Zeit an eine jüngere Generation weitergegeben, welche die Sammeltradition im
Rheinland bis heute aktiv weiterführt. Dabei liegt der Schwerpunkt der Ausstellung auf der
Gattung Malerei: Mehr als 80 Gemälde führen die Besuchenden von den ersten, schwarz
weißen Fotobildern, den strengen Farbtafeln und grauen Bildern zu den monumentalen
Landschaften, den weichen und freien Abstraktionen bis zu den letzten
ungegenständlichen Arbeiten. Zeichnungen, Aquarelle, Fotografien und Skulpturen sowie
der einzige von Gerhard Richter gedrehte Künstlerfilm belegen den großen Reichtum der
rheinischen Sammlungen und verleihen der Ausstellung retrospektiven Charakter.
Der über die Kunstpalast-App angebotene Audioguide zur Ausstellung wurde von dem
aus Film und Fernsehen bekannten Schauspieler Christian Friedel (Zone of Interest)
eingesprochen. Für junge Besucher*innen gibt es außerdem eine maßgeschneiderte
Tonie-Tour, die Kids ab drei Jahren mit spannenden Geschichten an die Werke Richters
heranführt.
Das Titelbild:
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