Ein Gespräch mit dem Schriftsteller Rolf Schönlau über sein neustes Werk „Paradies verloren“
Wir trafen Rolf Schönlau im Studio von kulturinfo-lippe zum Interview.
kulturinfo-lippe = (KL)
Vita
Der Autor Rolf Schönlau, 1950 in Paderborn geboren, lebt und arbeitet als Schriftsteller und Übersetzer in Schlangen//NRW und in Rom. Er studierte nach einem pharmazeutischen Vorexamen Anglistik, Literaturwissenschaft und Psychologie in Berlin und München und ist uns Redakteuren als langjähriger Pressesprecher des Weserrenaissance Museums Schloss Brake bekannt. Sein Studium finanzierte Rolf Schönlau 10 Jahre mit Jobs in Apotheken. Der Autor schreibt kulturhistorische Bücher, Reiseführer, Novellen, Hörspiele und Übersetzungen aus dem Englischen.
Nun hat Schönlau das Versepos „Paradise Lost“ von John Milton in Teilen neu übersetzt, erzählt und kommentiert. Es bricht mit allen Regeln der Zeit, um uns von Verführung und Vertreibung zu berichten und göttliche Vorsehung zu begründen. Das war uns von kulturinfo-lippe Anlass genug uns mit dem Autoren zusammenzusetzen und ihn und seine vielfältigen Arbeiten ausführlich unseren Lesern vorzustellen. Das Buch hat den Titel „Paradies verloren“ und ist im Verlag „Friedenauer Presse“ erschienen. Es kostet 28,00 Euro.
KL: Herr Schönlau, Sie haben schon viel veröffentlicht und das in ganz verschiedener Form und jetzt ein Epos, von John Milton. ( Ein Epos ist ein langes Gedicht in Versform, das im feierlichen Stil von mythischen und historischen Ereignissen erzählt.) Wie kamen Sie dazu?
RS: Wie kommt man darauf ein Buch das vor 350 Jahren veröffentlicht wurde nochmal publik zu machen? Ich habe englische Literatur studiert und ich wusste irgendwie schon wer John Milton ist. Ich wusste auch, dass das Hauptwerk „Paradise lost“ heißt. Also was man halt so wissen muss, wenn man studiert und Vorlesungen besucht. Aber ehrlich gesagt hat er mich nicht besonders stark interessiert. Um nur deutlich zu machen, was mich interessiert hat: Ich habe meine Magisterarbeit über Virginia Woolf geschrieben. Da liegen einige hundert Jahre dazwischen. Ich wusste, “Paradise lost“ hat viel mit Kirche und Calvinismus zu tun und natürlich mit England und dann ist es eben ein Epos, nicht so ganz gängige Kost.
KL: Aber irgendwann kam dann doch das Interesse an der Person Milton?
RS: In den letzten Jahren habe ich einige Bücher des 18. und frühen 19. Jahrhunderts aus dem Englischen für den Verlag „Die Andere Bibliothek“ übersetzt und dort kam oft John Milton vor. Er war noch immer im Gespräch z.B. in Form von Zitaten und Redewendungen. Das weckte mein Interesse und ich fing an zu recherchieren. Ich merkte, das Milton bei anderen Autoren sehr interessant war und erfuhr auch, dass Milton der zweitwichtigste Autor nach Shakespeare und noch vor Charles Dickens in England war. Er wurde als einer der Wichtigsten bezeichnet. Ja, dann guckt man so im Netz herum und erfährt, das Milton bei Musikbands und anderen Autoren hoch im Kurs steht, die beziehen sich alle auf dieses Buch. Ich wusste auch, dass es sehr viel Übersetzungen gibt, die erste von 1667 im Erscheinungsjahr und die letzte von 1969. „Paradise Lost“ ist gewissermaßen das bekannteste ungelesene Buch der englischen Literatur, wenn nicht der Weltliteratur. Das kennt jeder irgendwie, hat aber keiner gelesen. Man denke nur an „Finnegans Wake“ von James Joyce, das ist vielleicht noch bedeutender und noch ungelesener. Das war für mich die Initialzündung, um ein Programm zu entwickeln mein Werk an den Mann, an die Frau zu bringen.
KL: Bitte erzählen Sie den werten Lesern Ihre Ideen ein Epos das 350 Jahre so interessant zu gestalten, das es in die heutige Zeit passt.
RS: Vor Jahren habe ich Italo Calvino gelesen und der hat so etwas ähnliches gemacht mit einem Epos von Ariosto „Orlando furioso“. Da habe ich gedacht, so etwas in dieser Art könnte man auch mit „Paradise lost“ machen. Große Blöcke erzählen, dann O-Ton nehmen, dann wieder was erzählen. Außerdem muss man viel erklären, was nach 350 Jahren nicht mehr so verständlich ist. Im Barock war man sehr der Antike zugewandt, man las Homer und Vergil und sprach Latein. Ich wollte auch keine wissenschaftliche Arbeit vorlegen mit Fußnoten und so, das ist auch nicht gerade leserfreundlich. Calvino hatte den Vorteil, dass Ariosto auf Italienisch geschrieben hat und meins war nun ja auf Englisch. Ich habe keine vorliegende Übersetzung genommen, sondern eine Eigene gemacht.
Das Epos hat ungefähr 11000 Verse und die sind alle sehr regelmäßig gebaut. Auf eine unbetonte Silbe folgt immer eine betonte und das fünfmal hintereinander, jambische Fünfheber genannt. Das geht immer so weiter und ist ganz regelmäßig. Das kann man immer weiter machen. Das haben die anderen Übersetzer nicht gemacht. Eine Nachdichtung ist es aber nicht, ich bin nah beim Text geblieben. „Paradise Lost“ hat 12 Bücher, also Kapitel. Damit wollte Milton zeigen, dass er an die großen Epen des Altertums anschließt. Vergils Aeneas hat ebenfalls 12, Homers Ilias und Odysee jeweils zwei mal12 Bücher.
KL: Ein Jahr hat Rolf Schönlau für sein Werk zur Fertigstellung gebraucht.
RS: Ich habe das erste Buch gemacht und habe es meinem Verleger in der „Anderen Bibliothek geschickt“, der ganz begeistert war. Doch dann kam eine betrübliche Nachricht, dass er nur noch drei Monate beim Verlag sei und empfahl mir den Verlag „Matthes und Seitz“. Da bekam ich die freudige Nachricht, dass der Verleger schon lange etwas mit Miltons „Paradise lost“ machen wollte und ich gerade zum richtigen Zeitpunkt kam. Ich habe Bildmaterial besorgt, das Buch fertiggestellt und es ist seit dem 1. Februar auf dem Markt.
KL: Soweit die Publikationsgeschichte und wie ging es weiter?
Warum ist dieses Buch interessant? Es geht um die biblische Schöpfungsgeschichte. Das ist erst einmal nicht so spannend, denn die kennen wir ja alle. Bei Milton geht es aber auch um die Vertreibung der rebellischen Engel aus dem Himmel, dem Engelsturz. Er wird in der Bibel kaum erwähnt.
KL: Zur Vorbereitung auf dieses Gespräch habe ich das erste Buch gelesen und fand es ungemein spannend. Ich freue mich schon auf die nächsten Kapitel. Dann werde ich in aller Ausführlichkeit darüber berichten.
RS: Nun wer war Milton? Milton war der Chefideologe und Sekretär von Oliver Cromwell, der den Bürgerkrieg gegen König Charles I. gewann. Nebenbei hat er politische Schriften verfasst, z.B. warum der König geköpft werden musste oder ein Pamphlet für die Ehescheidung. Er war der Auffassung, dass Frau und Mann sich trennen mussten, wenn eine Ehe nicht mehr funktioniert. Milton war eine höchst interessante Person seiner Zeit und er legte sich mit allen, aber wirklich mit allen an. Bevor er seine politische Karriere begann hat er in Cambridge studiert und war da schon ein bekannter Mann. Schon in jungen Jahren hat er gesagt „Ich schreibe DAS Epos“, begann aber erst damit nachdem Cromwell gestorben war.
KL: In der Zeit musste er mächtig um sein Leben bangen, musste fliehen und sich bei Freunden verstecken.
RS: Also das Epos hat er ganz spät begonnen. Eigentlich wollte er ein historisches Epos schreiben, etwa über König Arthur. Das es aber um den Sündenfall geht und ums Paradies und um die Schöpfungsgeschichte, das kam erst sehr viel später, nachdem Cromwell gestorben, die englische Republik aufgelöst und Charles II. aus Frankreich zurückgekommen war. Milton wurde verfolgt und musste auch um sein Leben fürchten. Aber irgendwie hat er es aber geschafft durchzukommen. Und dann wurde er blind. Ja, ja, das ist spannend, wenn man weiß, dass Homer auch blind war. Hinten steht auch in dem Buch was über seine Erblindung, die er sehr genau beschrieben hat.“ Blinde sehen etwas, was Sehende nicht sehen „, so Tiresias der blinde Seher aus den griechischen Tragödie.
KL: Milton war nachts wach und hat gedichtet und am Morgen kamen Studenten und angehende Schriftsteller denen er seine Texte diktierte.
RS: Wenn die zu spät gekommen sind, hat er gesagt, es wird Zeit, ich muss gemolken werden. Das erzähle ich natürlich alles in dem Buch. 1667 ist das Buch veröffentlicht worden, war aber nicht sehr erfolgreich. Aber bald wurde es ein absolutes Standardwerk der britischen Literatur. Kurz: John Milton war jemand, der politisch sehr aktiv war, also wirklich in der Spitze, und dann über alle möglichen Themen geschrieben hat, aber eben auch dieses Werk, das ihn weltberühmt gemacht hat.
KL: Sind Sie mehr Menschenfreund oder -feind?
RS: Ich bin ein Menschenfreund.
KL: Woran arbeiten Sie aktuell?
RS: Korrekturfahnen vom Moon Hoax 1835, erscheint im „Wehrhahn Verlag “ im April.
The Great Moon Hoax (deutsch Der große Mond-Schwindel) war eine Serie von sechs Zeitungsartikeln, die ab dem 25. August 1835 in der New York Sun erschienen und von der angeblichen Entdeckung von Leben auf dem Mond berichteten.
KL: Was ist in Zukunft geplant?
RS: Das möchte ich noch nicht verraten.
Um die Person Rolf Schönlau unseren Lesern näher zu bringen, stellten wir ihm einige persönliche Fragen.
KL: Ihr größter Erfolg?
RS: Das Hibernat, Hörspiel, gesendet im WDR, NDR und Deutschlandradio
KL: Haben Sie einen Lieblingsroman?
RS: George Perec: Das Leben – Gebrauchsanweisung
KL: Ihr liebstes Gedicht?
RS: Carlos William Carlos: This is Just to Say
KL: Ihr liebster bildender Künstler?
RS: Caravaggio
KL: Ihr liebster Theater-Autor?
RS: Georg Büchner
KL: Ihr liebstes Theaterstück?
RS: Warten auf Godot
KL: Die sympathischste Künstlerin?
RS: Sandra Hüller
KL: Der sympathischste Künstler ?
RS: Matthias Habich
KL: Die schurkischste Männerrolle?
RS: Richard III
KL: Eine „Traum-Inszenierung“?
RS: Peter Stein: Die Sommergäste
KL: Wenn Geld keine Rolle spielen würde – wen würden Sie mal gerne als Gast holen?
KL: Ihr schönstes Theatererlebnis der letzten Monate?
RS: Gedenkkonzert für Anatol Ugorski, Professor an der HfM Detmold
KL: Ein paar Vorlieben: Bier oder Wein?
RS: Wein
KL: Kaffee oder Tee?
RS: Tee
KL: Großstadt oder Land?
RS: Land
KL: Porsche oder Fahrrad?
RS: Fahrrad
KL: Regionale oder internationale Küche?
RS: Internationale Küche
KL: Tatort oder Pilcher?
RS: Tatort
KL: Der liebste Film?
RS: Jean Luc Godard: Außer Atem.
KL: Bevorzugte Literatur?
RS: Erzählungen
KL: Das liebste Musikstück?:
RS: Johann Sebastian Bach: Goldberg Variationen.
KL: Gibt es Hobbys außerhalb der Kunst?
RS: Schwimmen
Vielen Dank an Rolf Schönlau für das Interview.