JEEPS
von Nora Abdel-Maksoud
Dauer ca. 90 Minuten, keine Pause
Aufführungsrechte schaefersphilippenTM, Theater und Medien GbR
FOTO Meinschäfer Fotografie
// BESETZUNG
Silke, Gründerin Kirsten Potthoff
Maude, Bürgergeld-Betroffene Mirjam Radovic
Gabor, Sachbearbeiter Jobcenter Thomas Kaschel
Armin, Sachbearbeiter Jobcenter Gregor Weisgerber
Regie Sophie Killer / Bühne & Kostüme Gabriela Neubauer / Musik & Vocal Coach Thalia Killer / Dramaturgie Lena Kern / Regieassistenz & Soufflage Lena Eckle Regiehospitanz Amelie Holtz / Inspizienz Robert Häselbarth / Technischer Leiter Klaus Herrmann / Bühnenmeister Michael Bröckling / Beleuchtungsmeister Marcus Krömer / Einrichtung Licht Fabian Cornelsen / Programmierung Licht Georg Rolle / Betreuung Licht Georg Rolle & Laurin Steinhoff / Ton & Video Till Herrlich-Petry / Requisite Annette Seidel-Rohlf & Sona Ahmadnia / Leitung Kostümabteilung Claudia Schinke / Maske Ulla Bohnebeck & Henriette Masmeier
Anfertigung der Kostüme und Dekorationen in den Werkstätten des Theater Paderborn.
// Inhalt
400 Milliarden Euro werden jährlich in Deutschland vererbt. Und wer bekommt’s? Das entscheidet seit einer Reform die Erbrechtslotterie. Gleiche Gewinnchance für alle! Da kann also genauso gut Bürgergeld-Empfängerin Maude als Gewinnerin dastehen wie Bildungsbürgertochter Silke, deren Erbschaft nun im Jackpot gelandet ist. Und wo bekommen Silke, Maude und all die anderen potentiellen Erb:innen ihr Los? Natürlich beim Jobcenter. Ordnungsgemäß beantragt, versteht sich. Silke will sich nicht auf das Losglück verlassen und nimmt ihr Schicksal kurzentschlossen selbst in die Hand. Bewaffnet und zu allem bereit stürmt sie das leise vor sich hindämmernde Arbeitsamt. Kann ja wohl nicht sein, dass ihr „wohlverdientes“ Erbe nun in anderer Leute Jeeps fließt, statt als Kapital in Silkes Start-Up… Was sich dann entspinnt, ist eine gnadenlose Geiselnahme inklusive Explosionsgefahr.
Mit bitterbösen, sozialkritischen Gegenwartssatiren hat sich Dramatikerin und Regisseurin Nora Abdel-Maksoud (*1983) einen Namen gemacht. Im Zentrum ihrer Stücke stehen gesellschaftliche Ungerechtigkeiten und Missstände, serviert mit einer ordentlichen Prise Zynismus. Ihre aberwitzige Jobcenter-Komödie „Jeeps“ erhielt eine Nominierung für den Mülheimer Dramatikpreis 2022.
// Nora Abdel-Maksoud
Nora Abdel-Maksoud (*1983) wurde in München geboren. 2005 begann sie ihr Schauspiel-Studium an der Hochschule für Film und Fernsehen Konrad Wolf in Potsdam-Babelsberg. 2012 zeigte sie am Ballhaus Naunynstraße ihre erste Regie- und Autorinnenarbeit „HUNTING VON TRIER“, die in einer Hörspielfassung im Deutschlandradio Kultur gesendet wurde. 2014 schrieb und inszenierte sie „KINGS“, das am Ballhaus Naunynstraße uraufgeführt und zum Festival »radikal jung« am Münchner Volkstheater eingeladen wurde. Es folgten „Die Geschichte von Buffalo Jim“ am Studio R des Maxim Gorki Theaters, die Uraufführung von „Mad Madams“ am Neuen Theater Halle, sowie „SIE NANNTEN IHN TICO“ am Münchner Volkstheater. In der Spielzeit 2016/17 entstand neben „RUFUS“ (Neues Theater Halle) das Stück „THE MAKING OF“, das sie am Berliner Maxim Gorki Theater selber inszenierte und mit dem sie erneut zum Festival „radikal jung“ nach München eingeladen wurde. Das Magazin „Theater Heute“ wählte sie 2017 zur „Nachwuchs-Regisseurin des Jahres“. 2017 erhielt sie den Kurt-Hübner-Preis für Regie. In der Begründung zur Verleihung betonte Juror Peter Kümmel: „Die Aufführung platzt schier vor Künstlichkeit, sie verhandelt Abgründe an der äußersten Oberfläche, man könnte an Commedia dell’Arte denken – ›The Making-of‹ ist eine Commedia dell‘Arte fürs Serienzeitalter, zum Platzen affektiert, eitel, verlogen, selbstverliebt, selbstmitleidig, verlegen, betreten, kindlich. Aber vermutlich wahr. Und auf eine Art dann doch übermütig und Mut machend, die im deutschen Theater sehr selten ist. Vielleicht hat Nora Abdel-Maksoud diese Komödie geschrieben und inszeniert, um es in diesem Habitat auszuhalten.“
Für das Neumarkt Theater Zürich entstand im Frühjahr 2018 die Klassen-Komödie „CAFÉ POPULAIRE“, die zum Schweizer Theatertreffen 2019, zum Festival „radikal jung“ und zu den Autorentheatertagen Berlin 2019 eingeladen wurde. Für das mehrfach nachgespielte Stück, u.a. am Staatstheater Stuttgart und am Schauspielhaus Hamburg, erhielt die Autorin 2019 den Hermann-Suderman-Preis. 2020 wurde die Uraufführungsinszenierung von „CAFÉ POPULAIRE“ vom Theater Basel übernommen.
2021 entstanden zwei neue Stücke in eigener Regie: „JEEPS“ im Auftrag der Münchner Kammerspiele und „RABATT“ am Maxim-Gorki-Theater in Berlin. Im April 2024 wird Nora Abdel-Maksouds Stück „DOPING“ an den Münchner Kammerspielen Uraufführung feiern.
Quelle: https://www.schaefersphilippen.de/kuenstler_in/nora-abdel-maksoud/
(zuletzt abgerufen am 06.06.23)
// Deutschland erbt sich in die Ungleichheit –
Top-Ökonom erklärt, warum
Wer ein Erbe in Aussicht hat, kann unbeschwerter in die Zukunft blicken. Insbesondere in Deutschland erben mehr Menschen Vermögen, als es mit den eigenen Händen erarbeiten. Und die Tendenz ist hierzulande steigend. Ein Blick auf Erbschaften in der Bundesrepublik und die Auswirkungen auf die Vermögensungleichheit im Land.
Von FOCUS-online-Redakteur Thomas Sabin
Zur Wahrheit über Vermögen in Deutschland gehört: Es wird mehr vererbt oder geschenkt. Das betrifft über die Hälfte aller privaten Vermögen. Vermögen wird immer seltener erarbeitet. Sich selbst etwas „mit den eigenen Händen“ aufbauen? Das gibt es zwar noch, aber eben nicht mehr so oft wie früher.
Ebenso gehört zur Wahrheit, dass jene Erbschaften und Schenkungen seit Jahren zunehmen – und die Ungleichheit der Vermögensverteilung im Land dadurch befeuert wird. Marcel Fratzscher, Professor für Makroökonomie an der Humboldt-Universität und Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin, schreibt auf Twitter, dass Erbschaften und Schenkungen seit 2002 um 20 Prozent zugenommen haben. Ein Grund dafür: Die Nachkriegsgeneration, die jetzt ihr Vermögen an ihre Kinder weitergibt. Ein Prozess, der auch mit dem Begriff Erbschaftswelle umschrieben wird.
Erbschaften in Deutschland: Durchschnittlich 85.000 Euro
Das zeigt sich umso deutlicher mit Blick auf die Zeiträume 1986 bis 2001 und 2002 bis 2017. Aus einer Studie des DIW geht hervor, dass jeder siebte Erwachsene in den vergangenen 15 Jahren mindestens eine Erbschaft erhalten hat. Das sind etwas mehr als 7 Prozent. Belief sich der inflationsbereinigte Betrag von Erbschaften oder größeren Schenkungen im Zeitraum 1986 bis 2001 durchschnittlich auf rund 72.500 Euro, kletterte er zwischen 2002 bis 2017 um 17 Prozent auf 85.000 Euro. Eine Tabelle aus der Studie verdeutlicht das. Die Erbschaftswelle kommt langsam, aber sicher in der Bevölkerung an.
Die Übersicht zeigt auch, dass im ersten Zeitraum noch knapp über vier Prozent Schenkungen erhalten haben. Im darauffolgenden Zeitraum nahm dieser Wert auf rund drei Prozent ab. Die durchschnittliche Höhe von Schenkungen steigt jedoch von 74.500 Euro auf knapp 89.000 Euro.
Ungleiche Verteilung von Erbschaften und Schenkungen
Fratzscher hebt hervor, dass jene Erbschaften und Schenkungen nicht gleichmäßig in der deutschen Bevölkerung verteilt sind, sondern – ganz im Gegenteil – nur zehn Prozent im Zeitraum 2002 bis 2017 einen solchen Transfer bekommen haben, und davon haben wiederum die obersten zehn Prozent die Hälfte aller Transfers erhalten.
Insgesamt werden laut der Studie im Zeitraum 2002 bis 2017 pro Jahr durchschnittlich 134 Milliarden Euro vererbt oder geschenkt. Knapp 50 Prozent des Erbschafts- und Schenkungsvolumens fließen demnach an die zehn Prozent mit den höchsten Beträgen. Das bedeutet: Die oberen zehn Prozent der Erbenden und Beschenkten bekommen zusammen etwa so viel wie die unteren 90 Prozent. „Die Ungleichheit der Erbschaften und Schenkungen fällt damit insgesamt in etwa so groß aus wie jene der individuellen Nettovermögen“, schreiben die Studien-Autoren und Autorinnen.
Deutschlands Erben: Wer bereits privilegiert ist, bleibt es auch
Und wer bereits zu den Privilegierten im Land gehört, ist meist auch Erbe. Fratzscher schreibt: „Es sind meist:
• Männer
• im mittleren/höheren Alter (55-74)
• aus Westdeutschland
• mit hohem Vermögen
• mit hohem Einkommen
• mit guter Bildung.“
Erbe in Ost- und Westdeutschland
Der Ökonom macht zudem einen Unterschied zwischen den Erbschaften im Osten und im Westen der Republik deutlich. Die Grafik zeigt, dass nicht nur die individuellen Nettovermögen in Ostdeutschland im Schnitt nicht einmal halb so groß sind wie in Westdeutschland, sondern auch die Erbschaften und Schenkungen sich stark voneinander unterscheiden.
So sind Schenkungen und Erbschaften in Ostdeutschland nicht nur wesentlich seltener – die Erbschaftsquote in Ostdeutschland liegt bei sechs Prozent, in Westdeutschland bei fast acht Prozent – auch die Höhe der Transfers ist im Osten deutlich kleiner als im Westen. Verhältnisse, die sich im Nettovermögen widerspiegeln: In Ostdeutschland liegt es bei etwa 55.000 Euro, Westdeutsche weisen ein durchschnittliches Nettovermögen von rund 121.000 Euro auf.
Erbe und Schenkung erhöht Ungleichheit von Vermögen und Einkommen
Fratzscher schreibt zudem, dass Erbschaften und Schenkungen die absolute Ungleichheit von Vermögen und Einkommen in Deutschland weiter erhöhen. Denn „zwei Drittel aller Erbschaften gehen an die 20 Prozent der Menschen mit den höchsten Vermögen.“ Wie die Studie aufzeigt, können Erbschaften und Schenkungen maßgeblich die soziale Position der nachfolgenden Generation beeinflussen.
Die Ergebnisse zeigen, dass nur zwei Prozent des ärmsten Fünftels der Bevölkerung im Zeitraum 2012 bis 2017 ein Erbe oder eine Schenkung erhalten haben. Im Verlauf wird deutlich: Je höher das Vermögen, desto höher die Erbschaftsquote. Ebenso verhält es sich mit der Höhe der Transfers: Die Gruppe mit dem geringsten individuellen Nettovermögen hat durchschnittlich Transfers in Höhe von 10.000 Euro erhalten und somit am wenigsten. In den mittleren Vermögensgruppen schwankt der Medianwert zwischen 21.000 und knapp 40.000 Euro. Bei den Vermögendsten steigt der Wert laut Studie um mehr als das Dreifache auf 145.000 Euro.
2 Prozent der jährlichen Erbsumme geht an den Staat
Von Erbschaften profitiert auch der Staat. Ein Blick auf das Nettovermögen der privaten deutschen Haushalte in Deutschland offenbart ein Nettovermögen von 13,8 Billionen Euro – eine Verdopplung in den vergangenen 20 Jahren. Nach Schätzungen des DIW könnten davon jedes Jahr bis zu 400 Milliarden Euro vererbt oder verschenkt werden. 2019 etwa konnte der deutsche Staat sieben Milliarden Euro an Erbschaftsteuern einnehmen. Laut Fratzscher sind das rund zwei Prozent der vererbten Summe.
Erbschaften in Unternehmen und die Erbschaftssteuer
Auf Twitter führt Fratzscher weiter aus, wie sich Erbschaften von Unternehmen in Deutschland gestalten. Er schreibt: „Von 144 Milliarden Euro steuerfreien Unternehmensübertragungen (2011 bis 2014) gingen 37 Milliarden Euro an Minderjährige. 29,4 Milliarden Euro erhielten 90 Kinder unter 14 Jahre.“
Laut einer von Fratzscher angeführten DIW-Publikation machen die hohen Unternehmensübertragungen an Minderjährige und an Kinder unter 14 Jahre das Dilemma der Firmenprivilegien bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer deutlich. Denn es werden Personen begünstigt, „die sich nicht aktiv im Unternehmen engagieren und keine besonderen unternehmerischen Risiken tragen, sondern reine Anteilseigner sind“, heißt es darin. Bei vielen erwachsenen Erben von Anteilen an größeren Familienunternehmen werden zudem hohe Steuervorteile gewährt, ohne dass die Existenz dieser Firmen unmittelbar bedroht wäre. „Vererben oder verschenken dagegen „normale“ Wohlhabende Immobilien oder Finanzvermögen werden diese spürbar durch die Erbschaftssteuer belastet, soweit die persönlichen Freibeträge der Erwerber überschritten werden“, schreiben die Studien-Autoren.
Ebenfalls markant: Zwei Drittel der Erbschaften von Unternehmen gingen an männliche Erben. Frauen werden laut der Veröffentlichung bei hohen Erbschaften benachteiligt. „Dies signalisiert: Bei Erbschaften geht es häufig um Ansprüche, Traditionen und Besitzstandswahrung“, so der Ökonom.
Weiter führt der DIW-Präsident aus, dass 43 Prozent der Vermögen von Millionären Betriebsvermögen sind und 40 Prozent Immobilien. „Erbschaften von Betriebsvermögen werden kaum steuerlich belastet, um die Substanz der Unternehmen nicht zu gefährden.“
Die Ungleichheit zeigt sich noch besser an einem Beispiel: „Erb*innen von bis zu 500.000 Euro zahlen durchschnittlich mehr als 10 Prozent Erbschaftsteuer. Erb*innen von mehr als 20 Millionen Euro zahlen durchschnittlich 1,8 Prozent (2011 bis 2014).“ Das Stimmungsbild zum Thema Erbschaftssteuer sieht hingegen so aus: „70 Prozent der Bürger*innen in Deutschland sprechen sich GEGEN eine Erbschaftsteuer aus.“
Was also tun? „Alles so lassen, wie es ist“ oder etwa ein Lebenschancenerbe?
Um dem Problem der steigenden Ungleichheit entgegenzuwirken und Chancengleichheit zu schaffen, empfiehlt der Experte „eine sachliche Debatte, wie wir mit der steigenden absoluten Ungleichheit von Vermögen und Chancen durch Erbschaften umgehen und möglichst viele Menschen eine Teilhabe ermöglichen“. Fratzschers Anregungen:
• „Alles so lassen, wie es ist. — Das Bundesverfassungsgericht könnte aber die neue Erbschaftsteuerregelung kippen und somit eine neue Lösung erforderlich machen.“
• „Ausnahmen reduzieren und auch große Erbschaften & Schenkungen zum gegenwärtigen Steuersatz belasten. — Die Gefahr kann eine Substanzbesteuerung und Schaden für die Unternehmen bedeuten.“
• „Eine „flat-tax“ Erbschaftsteuer von z. B. 10 Prozent plus Freibeträge für kleine Erbschaften und großzügige Stundungsmöglichkeiten, um eine Substanzbesteuerung zu vermeiden. — Dies würde eine grundlegende Erbschaftsteuerreform erfordern.“
• „Allen jungen Menschen das Glück einer Erbschaft ermöglichen durch ein Lebenschancenerbe, bei dem jeder junge Mensch nach Ende der Ausbildung 30.000 Euro für ihre/seine berufliche und private Zukunft erhält.“
Quelle: https://www.finanzen100.de/finanznachrichten/boerse/deutschland-erbt-sich-in-die-ungleichheit-top-oekonom-erklaert-warum_H1462892479_141212057/ (zuletzt abgerufen am 19.06.2023)
// Marlene Engelhorn: Die Wut-Millionärin im großen Interview
Marlene Engelhorn erbt ein zweistelliges Millionenvermögen von ihrer Großmutter Traudl Engelhorn-Vechiatto aus dem Vermögen des steinreichen BASF-Gründers Friedrich Engelhorn. Aber sie will das Geld nicht, sondern appelliert an die Politik: „Besteuert mich endlich!“
Das Interview wurde im Rahmen der TEDx Vienna 2022 geführt.
Trending Topics: Wie es scheint, sollen Sie bald sehr, sehr viel Geld bekommen. Davon träumen wahrscheinlich viele Menschen, aber Sie wollen es gleich wieder loswerden. Warum?
Marlene Engelhorn: Ich glaube, was wichtig ist, ist anzuerkennen, dass die meisten Menschen denken, ein Multimillionen-Vermögen ist ein Geschenk des Himmels. Das sind Menschen, die nicht hochvermögend sozialisiert wurden, für die das keine Selbstverständlichkeit ist – so arg dieser Satz jetzt auch klingen mag. Für mich ist es eher so, dass ich diese finanzielle Sicherheit ohnehin immer schon gehabt habe und deswegen komme ich mit einer ganz anderen Selbstverständlichkeit auf dieses Thema. Dazu kommt, dass Erben aus Prinzip ungerecht ist. Ich rede jetzt nicht von einer Erbschaft, wie der seltenen Löffelsammlung oder so etwas, also von Dingen, an denen ein emotionaler Wert hängt. Ich meine wirklich ab einer gewissen Summe Nettovermögen. Das ist absurd.
Es gibt keinen Grund, dass man Menschen auf diese Art und Weise privilegiert, weil es einfach nicht dabei hilft, die Ungleichheit in irgendeiner Form auszutarieren. Das kann man auch ändern. Da gibt es demokratische Prozesse, wie zum Beispiel die Besteuerung von Vermögen. Alleine, wenn man sich überlegt, dass die meisten Steuermodelle für Erbschaftssteuern, die mir bekannt sind, auch mit Freibeträgen arbeiten. Das heißt – was die Menschen oft nicht wissen oder was ihnen nicht erklärt wird -, ist, dass die Steuer sie nicht betreffen würde. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass sie eine Erbschaft bekommen, wo das der Fall ist. Und selbst wenn es der Fall ist, dann können sie sich das ohnehin leisten und dann ist es erst wieder gut. Genau das ist mein Grund. Ich möchte in einer Gesellschaft leben, in der es egal ist, mit welchem Nachnamen ich auf die Welt komme. Wenn ich mir aber mit diesen Erbschaften die Gesellschaft anschaue, dann ist es das nicht. Gerade in Österreich, wo 1 % der Bevölkerung 50 % des Vermögens hält. Das ist absurd, finden Sie nicht?
Sie sind in den letzten Jahren als große Verfechterin einer Erbschaftssteuer in Erscheinung getreten. Wie sollte die gestaltet sein? Freibeträge sind ja durchaus vernünftig. Aber in Österreich zum Beispiel: Was wäre Ihrer Meinung nach eine vernünftige Steuer?
Tatsächlich gebe ich nie Auskunft darüber, wie das Steuermodell sein sollte. Und ich meine auch generell die Besteuerung von Vermögen, nicht nur von Erbschaften. Alle Arten von Vermögen gehören anders besteuert als es momentan der Fall ist. Das ist auch bei „Tax Me Now“ die Forderung. Ich bin ja nicht die einzige Person mit diesen Forderungen, sondern habe Verbündete gefunden und gemeinsam treten wir dafür ein. Wichtig ist: Es gibt wirklich sehr viele unterschiedliche Steuermodelle für die Besteuerung von Vermögen, eben als Vermögen, als Erbschaft, als Schenkung, Kapitalerträge etc. Diese Modelle können durchdiskutiert werden, sind aber von Expertinnen und Experten gemacht. Ich möchte keinem den Vorzug geben. Wer bin ich, das zu entscheiden? Kein Mensch wird gefragt, welches Steuermodell ihm oder ihr gefällt. Das fragt man nur Menschen, die reich und mächtig sind. Und allein das ist schon ein Problem. Aber mit „Tax Me Now“ und mit der Öffentlichkeit, die ich bekomme, kann ich das problematisieren und sagen, dass es schwierig ist, wenn ich euch sage, wie ich besteuert werden soll. Es sollte so nicht sein. Wir sollten gemeinsam darüber streiten oder diskutieren oder verhandeln, wie das passt. Aber nicht mit einem Übergewicht, was die Interessen der Vermögenden angeht.
Für mich wäre es etwa fair, wenn man das Haus der Eltern erben dürfte, steuerfrei, aber vielleicht nicht die Porschesammlung des Vaters. Da wäre die Grenze. Das ist ein interessanter Punkt. Die meisten Steuermodelle für Erbschaftssteuer, die mir bekannt sind, arbeiten mit einer Eigenheim-Klausel. Das heißt, wenn man das Haus der Eltern erbt und da einzieht, ist das kein Thema. Schwierig ist es, wenn man dann versucht zu argumentieren, vier, fünf Wohnsitze halten zu müssen. Mit welcher Notwendigkeit? Ich beschäftige mich mit dem deutschen Erbschaftsteuerrecht. Da gibt es ja wenigstens eins, auch wenn es ein Schweizer Käse ist. Effektiv werden von rund 400 Milliarden Euro pro Jahr zwei Prozent besteuert. Das ist absurd. Das kann nicht sein.
Und überlegen Sie sich Folgendes: Innerhalb der Erbschaftssteuer gibt es eine Ungleichheit. Wenn Sie 30 Wohnungen erben, nehmen wir ein Zinshaus mit 30 Wohnungen, dann zahlen Sie Erbschaftssteuer. Wenn Sie zehn Zinshäuser mit 30 Wohnungen, also 300 Wohnungen oder mehr erben, dann zählen Sie automatisch als Gewerbetreibende:r und zahlen keine Steuern mehr. Kein Mensch braucht so viele Wohnungen. Aber ganz grundsätzlich stört mich dieser Automatismus. Ich glaube, da zeigt sich sehr gut, wer wie lange und durch welche Einflussnahme diese Gesetze mitgeschrieben hat. Es kann heute einfach nicht sein, dass gerade, wenn es ums Geld geht, die Menschen mit Geld entscheiden dürfen, wie es läuft und die Menschen, die nicht in so großen Summen vermögend sind, nicht diese Art von Mitentscheidung bekommen. Wir sind in einer Demokratie, es gibt einen Gleichheitsgrundsatz. Das ist einfach nicht in Ordnung. Um nochmal auf das Eigenheim zu kommen: Ich denke, das ist auch etwas, das grundsätzlich in den meisten Modellen vorkommt. Das Eigenheim ist von der Steuer ausgenommen und ab dann zählt das Nettovermögen – abzüglich aller Schulden, die man auch erben kann, was man ja nicht vergessen sollte.
Noch einmal zu Ihrem Fall gefragt: Jetzt gibt es in Österreich keine Erbschaftssteuer. Aber Sie werden dieses Erbe trotzdem bekommen. Was ist dann damit geplant?
Sollte die Regierung es schaffen, einen demokratischen Prozess aufzuziehen und doch noch eine Erbschaftssteuer auf den Weg zu bringen – und eine Vermögenssteuer idealerweise plus eine Schenkungssteuer und alles, was dazu gehört zu einer schönen, fairen Besteuerung von Vermögen –, dann bin ich gerne bereit, das auch im Nachhinein zu begleichen. Einfach aus Prinzip, weil es mein Wunsch ist. Ich möchte unbedingt besteuert werden, das wäre das Beste. Jetzt sieht es nicht danach aus. Ich überlege tatsächlich sehr viel mit den unterschiedlichsten Menschen, was eine sinnvolle Art und Weise wäre, damit umzugehen. Ich wünschte, ich könnte Ihnen etwas Wunderbares, Reifes präsentieren, wo ich stolz drauf bin, dass es ein gescheites Projekt ist. Ich arbeite daran. Wir werden sehen, was es wird und ich hoffe, dass es dann irgendwie Sinn haben wird und dann ein respektvoller Umgang mit diesem Vermögen sein wird.
Der Klassiker wäre wahrscheinlich eine Stiftung.
Das kann ich klar verneinen. Stiftungen sind in der Regel wirklich nichts anderes als Parkgaragen für Kapital, um es vor der Steuer zu verstecken. Gerade in Österreich wurde das private Stiftungswesen sehr stark ausgebaut. Da geht es um nichts anderes, als um dafür zu sorgen, dass ein bestimmtes Geld auf eine bestimmte Art angelegt ist und eine bestimmte Person davon permanent profitiert. Dazu ein ganz, ganz klares Nein. Wenn, dann wird es sich um einen Rückverteilungsplan handeln, um auch anzuerkennen, dass dieses Geld aus der Gesellschaft kommt und in die Gesellschaft zurückgeführt werden muss. Dabei stellt sich halt die Frage, wohin genau und wie man das macht und wer das entscheidet. Daran beiße ich mir gerade die Zähne aus.
Das würde ja fast dafür sprechen, ein Social Business zu machen.
Das ist auch eine Idee, die ich verworfen habe. Alles, was mich in eine Entscheidungs- und Machtposition setzt, freut mich gar nicht, weil dann wird meine Sozialisation als überreicher Mensch darin stecken. Diese Scheuklappen, die entstehen, wenn man mit so viel Privilegien groß wird wie ich, die würden meine Entscheidungsfindung beeinflussen. Ich glaube, es wäre viel wichtiger, mit Menschen, die zum Beispiel von sozialen und ökologischen Krisen direkt betroffen sind und die sich politisch engagieren, um herauszufinden, wie sie damit umgehen können, in Kontakt zu treten und eine gemeinsame Entscheidungsbasis zu finden. Das ist viel näher am demokratischen Entscheidungsfindungsprozess.
Ich glaube, einmal gelesen zu haben, dass Sie das Geld verschenken werden. Das heißt, das ist jetzt aber auch noch nicht beschlossen.
Ich habe immer gesagt, ich möchte es hergeben. Dann wurde gesagt, ich will spenden. Es wurde gesagt, ich will es verschenken. Es wurde gesagt, ich überweise es dem Staat. Die Leute hören dann auch ganz gerne etwas heraus. Das ist auch in Ordnung, ich korrigiere mich gerne nachher. Es macht jetzt nichts, aber das Einzige, was mich interessiert: Ich will besteuert werden und ich werde es rückverteilen. Konkreter bin ich noch nie direkt geworden. Man könnte auch meinen, wenn der Staat das Geld nimmt, macht der auch nicht immer das Richtige. Das Geld, das er unter anderem von Ihnen nehmen würde, verteilt der Staat vielleicht in einer Art und Weise um, die Ihnen überhaupt nicht passen würde. Das passiert mit Ihrer Einkommenssteuer wahrscheinlich auch. Und werden Sie gefragt, ob Sie sie denn zahlen wollen? Ich wurde noch nie gefragt. Da wird schon mit zweierlei Maß gemessen.
Das andere ist: Der Staat macht schon Mist, das stimmt. Auch Regierungen. Da muss man auch unterscheiden. Der Staat, dieser große, behäbige Verwaltungsapparat und die regelmäßig ausgetauschten Regierungen, das sind nicht dieselben Leute. Wir haben eine viel größere Möglichkeit, uns einzubringen in die Art und Weise, wie diese Dinge funktionieren, sowohl beim Staat als auch bei der Regierung, weil wir in einer Demokratie leben. Zugegeben, in Österreich ist es immer so eine Sache und Wahldemokratien wurden auch herabgestuft im Demokratieranking. Das ist jetzt nicht gerade etwas, womit man hausieren geht, aber es gibt diese Möglichkeit der Mitsprache und der Beteiligung des Engagements. Auch wenn es lange dauert und mühsam ist. Das Gleiche haben Sie in der Privatwirtschaft nicht. Oder bei Stiftungen. Da haben Sie überhaupt kein Mitspracherecht.
Das ist jetzt ein überspitztes Beispiel, aber ich finde, es erklärt die Dynamik ganz gut. Wenn jetzt ein Bill Gates zum Beispiel auf den Kopf fällt und er sich danach denkt, Impfungen sind ein Mist, dann entscheidet seine neue Ausrichtung und seine Weltsicht mit über die Ausrichtung der Weltgesundheitsorganisation, weil er der zweitgrößte Geldgeber ist. Das darf man nicht vergessen. Diese Zusammenhänge sind wahnsinnig wichtig. Bill Gates hat auch Aktien und Anleihen in Coca Cola. Das weiß man. Wie viele, weiß ich nicht. Aber soweit ich weiß, ist er damit nicht transparent. Seit Giving Pledge, also dem Versprechen, sein Vermögen zu verringern, hat er es verdreifacht. Dann hat er in Coca Cola investiert, ein Unternehmen, das Wasser privatisiert. Das ist schon mal grundsätzlich ein großes NoGo. Danach hat er mit der Stiftung mitunter Menschen in Afrika ausgebildet, damit sie eine bestimmte Art von Beruf ergreifen können. Letztlich haben diese Menschen dann bei Coca Cola gearbeitet, um die Produktivität zu steigern. Am Ende wirtschaftet er sich in die eigene Tasche und zusätzlich wird das Ganze subventioniert vom amerikanischen Staat. Das ist auch in Deutschland ähnlich: Wenn Sie in Deutschland in die hohen Einkommensklassen kommen, dann subventioniert der Staat Ihre Spenden. Das heißt, damit 100 Euro ankommen, müssen Sie vielleicht die Hälfte zahlen. Wenn Sie aber in niedrigen Einkommensklassen sind, müssen Sie, damit 100 Euro ankommen, auch 100 Euro spenden. Allein da zeigt sich schon wieder eine Bevorzugung von jenen, die ohnehin Geld haben. Und das finde ich wirklich, wirklich schwierig und problematisch.
Blicken wir noch einmal auf den Anfang zurück: Wie haben Sie reagiert, als Sie vom Erbe erfahren haben? Oder wissen Sie das schon Ihr ganzes Leben?
Witzigerweise nein. Ich hab irgendwie nicht damit gerechnet. Ich wollte mich freuen, aber ich war wütend, frustriert und grantig. Und ich habe jeden genervt damit. Das ist eine absolute Unart eigentlich. Aber gleichzeitig wusste ich nicht, wie ich damit umgehen soll. Das war halt meine unelegante Art, damit umzugehen. Später habe ich mich immer intensiver damit auseinandergesetzt und dann festgestellt, ich bin nicht alleine. Durch diesen Austausch kam der Gedanke, dass es vielleicht ja funktioniert, wenn man öffentlich darum bittet, diese Steuern zu bekommen und sagt, dass es okay ist, weil wir uns das leisten können. Take it from an insider.
Sie sind jetzt kein Einzelfall, es gibt offenbar viele wohlhabende Millionäre oder künftige Millionäre, die sagen, sie wollen das eigentlich gar nicht haben.
Es geht weniger darum zu sagen, dass ich das nicht will, das hat eine wegwerfende Geste. Es gilt mehr zu sagen: Der Grund, warum ich das habe, ist, dass ich geboren bin – und das war‘s. Ich kenne auch Unternehmer:innen, die so ticken. Wir wollen unbedingt Vermögenssteuer haben und wir wollen auch, wenn wir sterben, dass es dann weitergeht, dass es weiterhin eine Erbschaftssteuer gibt. Die sagen, ohne die Gesellschaft gäbe es diese Vermögen ja gar nicht. Das heißt, es ist das Normalste auf der Welt, das zurückzugeben. Das muss aber demokratisch passieren. Deswegen gibt es eben bei „Tax me now“ diese unterschiedlichen Menschen, die alle das gleiche Thema bespielen. Wir Vermögenden sind aber sicher nicht alle derselben Ansicht, dass Vermögenssteuern nicht in Ordnung sind, ganz im Gegenteil. Das hat man kürzlich in England verfolgen können: Im Guardian gab es eine Sammlung von Statements von vermögenden Menschen aus dem UK, die gesagt haben, dass diese Art von Steuerreform, die gerade kommt, ekelhaft ist. Die gesagt haben, sie haben das Gefühl, sie bekommen Kuchen in den Rachen gestopft, den sie gar nicht haben wollen – statt dass wir uns darum kümmern, dass etwa unsere Infrastruktur gescheit aufgestellt ist. Je besser die öffentliche Infrastruktur aufgestellt ist, desto eher haben wir alle ein gutes Leben. Und da gehöre ich ja dazu. Es muss doch das Ziel sein, dass man unabhängig von der Geburt ein gutes Leben haben darf.
Wächst die Tax-Me-Now-Bewegung?
Sie wächst nicht rasend schnell, aber sie wächst auf jeden Fall. Es gibt immer mehr Affinität für das Thema. Auch in der philanthropischen Welt wird mehr darüber gesprochen. Was passiert denn in Wahrheit, wenn das Steuerbudget verringert wird? Es bedeutet, dass ganz viele Aufgaben, die eigentlich öffentlich sein sollten, plötzlich im privaten Sektor landen, wo sie nichts verloren haben. Primär, weil man sie nicht privater Willkür aussetzen sollte. Das sieht man in der Pflege. Es ist furchtbar, was passiert, wenn plötzlich Pflegeeinrichtungen auf Gewinn getrimmt werden. Es geht auch darum, dass wir keine Mangelverwaltung etablieren. Sehen Sie sich die Tafeln an: Eigentlich ist es nicht gut, dass es sie gibt. Sie sind wichtig, weil sie sich um ein wirkliches Problem kümmern. Aber eigentlich müssten wir es hinkriegen, dass wir sie öffentlich abschaffen können, weil kein Mensch mehr hin muss. Es ist sicher nicht so, als hätten wir nicht genug Baustellen, die Finanzbedarf hätten.
Das Argument bringen auch viele Social Business-Macher:innen: Sie arbeiten quasi an der eigenen Abschaffung, weil sie ja so lange arbeiten, solange es das Problem gibt.
Genau. Ich glaube, es ist eigentlich eine schöne Art darüber nachzudenken, dass man nicht versucht, den Mangel zu verwalten, sondern zu sagen, wir haben verstanden, dass es ein Problem gibt. Vielleicht braucht es gerade eine private Hand, die sich da, weil sie schneller ist, darum kümmert. Aber es sollte nicht darauf hinauslaufen, dass eine Konkurrenz entsteht. Idealerweise sind öffentliche Aufgaben in der öffentlichen Hand zu Hause und gut ausgestattet. Die Finanzmittel sind da. Es ist eine Frage des politischen Willens, sie abzuschöpfen. Und da geht es nicht ums Wegnehmen, sondern es geht ums Zurückgeben. Geld ist ein öffentliches Gut. Das zu privatisieren ist der größere Skandal, als es zu besteuern. Steuern zu bezahlen bedeutet, dass wir als Staatsbürgerinnen unsere Schulden zurückzahlen. Das ist okay, denn wir bekommen unglaubliche Dinge dafür.
Dieses Interview stammt aus unserem neuen Magazin „Cash is Queen“ mit Schwerpunkt auf Financial Literacy. Das 52-seitige Magazin steht hier kostenlos zum Download parat.
Quelle: Dorothea Schuller: https://www.trendingtopics.eu/marlene-engelhorn-die-wutmillionaerin-im-grossen-interview/ (zuletzt abgerufen am 06.06.2024)