PREMIERE Sa. 28.01.23, 19:30 Uhr, TAMZWEI
ICH, WUNDERWERK UND
HOW MUCH I LOVE DISTURBING CONTENT
Amanda Lasker-Berlin
Termine 28.01. (Premiere), 04.02., 08.02., 23.02., …
Karten T. 0521 51 5454 // www.theater-bielefeld.de
Inszenierung Marie Schwesinger / Bühne und Kostüme Marion Schindler / Musik Tim Roth / Dramaturgie Irene Wildberger / Mit Brit Dehler / Fabienne-Deniz Hammer / Carmen Priego
Vier Perspektiven. Vier unterschiedliche Motive – stark im Fokus: Videobilder. Es wird verhandelt, was ungezeigt bleibt, vergessen wurde oder in der Routine des endlosen Klickens untergeht. Vier Blicke, die wie durch die Kameralinse ganz nah an das heranzoomen, was dem menschlichen Auge so nicht auffällt.
In dem Stück von Amanda Lasker-Berlin geht es um unterschiedliche »Ichs«, die alle in unterschiedlichen Momenten versuchen zu erinnern und sich mit dem, was sie auf dem Bildschirm sehen in Beziehung zu setzen. Da gibt es das »Ich, an Weihnachten 96«, die sich mit ihrem Vater alte Super-8-Aufnahmen eines zurückliegenden Familienfestes anschaut und sich auf einmal mit dem konfrontiert sieht, was sie eigentlich vergessen hat. Das »Ich, das nichts anderes mag als flimmernde Bildschirme « klebt an YouTube-Videos, die Polizei- und andere Gewalt darstellen und
schaut ganz genau hin, analysiert fast. Warum bleibt unklar; Videobilder sind mittlerweile das Fenster in die Welt die uns umgibt. Das »Ich, die einsam ist in Gladbeck- Rentfort« wandert durch die verlassene Heimat und versucht sich zu erinnern, an das was war und an Fernsehaufnahmen von einer Geiselnahme im zurückgelassenen Gladbeck. Es fällt schwer, von ihr gibt es keine Videoaufnahmen aus der Zeit.
Der Ort an dem sie aufgewachsen ist, ist geprägt von Videoaufnahmen und Berichten vom Geiseldrama, nicht von der eigenen Person. Der vierte Blick sieht das, was ungesagt bleibt, funkt nur kurz dazwischen. Als schillernder Zwischenton, der eine hoffnungsvolle Gegenposition darstellt. Was haben diese Blicke miteinander zu tun? Wie beeinflussen die Bilder, mit denen sie sich auseinandersetzen die Erinnerung? Sollten wir sie speichern oder einfach löschen?
Die Regisseurin Marie Schwesinger nimmt diese Blicke unter die Lupe, setzt die verschiedenen Stimmen, die im Text mosaikartig auftauchen, in Einklang miteinander und webt so einen visuell klangvollen Theaterabend aus Eindrücken, Erinnerungen und Gedanken, ganz ohne die Verwendung von Videobildern, die im Theatertext so prominent verankert sind. Dafür setzt ein ausgeklügeltes Licht- und Tonkonzept (Bühne und Kostüm: Marion Schindler; Sound: Tim Roth) die Materialität
des Videobildes im Raum um. Die Bühne im TAMZWEI ist mit verschiedengroßen Rahmen ausgestattet, die durch Dreh- und Angelpunkte das Gezeigte immer in unterschiedliche Perspektiven setzen können – so wie der Bildausschnitt eines Videos. Die drei Spielerinnen nehmen Position ein, vor, in und hinter den Rahmen und verhandeln das, was dieser reiche Theatertext ihnen bietet.
INSZENIERUNG
Marie Schwesinger wurde 1988 in Hamburg geboren. Erste Theatertexte, Collagen und Adaptionen entstanden während ihres Studiums der Szenischen Künste (Angewandte Kulturwissenschaften) an der Universität Hildesheim und in ihrer Zeit als
Regieassistentin am Oldenburgischen Staatstheater. In Frankfurt am Main studierte sie Regie an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst, inszenierte hier in Kooperation mit dem Frankfurt LAB die Stücke Reiher von Simon Stephens (2016), Maß für Maß von William Shakespeare (2016) und Schwarzes Tier Traurigkeit von Anja Hilling (2017), welches an die Folkwang Hochschule der Künste eingeladen wurde. Anschließend ging sie als Regieassistentin ans Schauspiel Frankfurt. Hier inszenierte sie im Herbst 2018 ihren Stücktext Gegen alle Widerstände, in welchem sie sich erstmals mit den Frankfurter Auschwitzprozessen auseinandersetzte. Eine Beschäftigung, welche sie im September 2020 am Theater studio NAXOS (Frankfurt am Main) mit ihrer Inszenierung Widerhall fortsetzte. Für das Schauspiel Frankfurt adaptierte sie im Herbst 2019 Juli Zehs Roman Corpus Delicti als Klassenzimmerstück für die Bühne und entwarf für das Hessische Staatstheater Wiesbaden Robert Seethalers Roman Das Feld, welchen sie im Dezember 2019 zur Uraufführung brachte. Marie Schwesinger arbeitet als freie Theaterregisseurin und Autorin in Frankfurt am Main. Ihr thematischer Schwerpunkt liegt neben Romanadaptionen auf zeitpolitischen und dokumentarischen Stoffen.
BÜHNE UND KOSTÜME
Marion Schindler studierte Scenografie an der Theaterschool Amsterdam. In der Spielzeit 2014/2015 arbeitete sie als feste Ausstattungs-assistentin am Theater Bremen, in den darauffolgenden zwei Spielzeiten am Thalia Theater Hamburg. Seit 2018 ist sie als freischaffende Bühnenbildnerin und Ausstatterin tätig.