WIR ARBEITEN FÜR SIE AN DER WIEDERVERZAUBERUNG DER WELT
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サLATE NIGHTォ AM SONNTAG, 15.01.23 |
Wir machen den Tag zur Nacht: Im frühen Late-Night-Format des Theaters Bielefeld lädt Moderator Simon Heinle ein Spannende Gäste, Stand-up sowie schauspielerische und musikalische Einlagen inklusive. |
Mit unserer Kunst wollen wir ein Stückchen Zauber in die Welt setzen. Wir entwerfen, planen, zeichnen, sägen, nähen, leimen, malern, schreiben, schrauben, bauen – kurz: arbeiten an etwas, das nicht dafür da ist, eindeutig verstanden zu werden. An einem Stück kollektiver Wiederverzauberung, die uns mit Neugier und Staunen auf die Welt blicken lässt, die Gemeinschaft und Zusammenhalt schafft und damit die Grundlage, mit Komplexität und Ambiguität umzugehen. Wir wollen Geschichten erzählen und Erfahrungen schaffen, die mit uns in Schwingung geraten, ohne dass wir es erklären können. Wir wollen die Lücke wagen. Wir wollen die Geheimnisse und Rätsel, die Fragen und Fragezeichen feiern. Und das gemeinsam – für und mit unserem Publikum. Wir arbeiten für Sie an der Wiederverzauberung der Welt.
Die Premieren der Spielzeit 2022/23
Oper, Musiktheater und Musical gelten als diejenigen Theatergattungen, die am stärksten an einem fest umrissenen Kanon festhalten und eher selten Neues oder Ausgegrabenes auf die Bühne bringen. Das Theater Bielefeld macht es etwas anders und präsentiert in der Spielzeit 2022/23 neben Repertoire-Klassikern gleich zwei Uraufführungen sowie zwei deutsche Erstaufführungen. Los geht es mit Berlin Alexanderplatz: Erstmals erhielt ein Theater die Rechte, Alfred Döblins Jahrhundertroman zu vertonen, was das Theater Bielefeld zu einem spartenübergreifenden Konzept angeregt hat. Die Berliner Schriftstellerin Christiane Neudecker verleiht in ihrem Libretto nicht nur den Individuen, sondern auch dem Grundrauschen der Metropole eine eigene Stimme: Die Stadt singt, spricht und tanzt. Die Komponisten Vivan und Ketan Bhatti überführen den facettenreichen Stoff in einen urbanen Sound, der verschiedene Klangwelten vom 20er-Jahre Schlager bis hin zu zeitgenössischer Musik einfängt. Von Jerry Herman, dem Schöpfer der Musicalklassiker Hello, Dolly! Oder Ein Käfig voller Narren, stammen Musik und Songtexte zu Dear World (Deutsche Erstaufführung), das mitten ins Paris der Nachkriegszeit führt. Drei Konzernchefs erfahren, dass unter dem Café Francis Öl zu finden sei. Begierig beschließen sie, das Café zu sprengen, um das Öl zu Geld zu machen, doch sie haben nicht mit der Macht der Liebe gerechnet … Stoff genug für ein ohrwurmreiches Musical.
Mit vielen eingängigen Melodien kann auch Die Fledermaus aufwarten. 1874 in Wien uraufgeführt, genießt Johann Strauss´ Meisterwerk genauso Kultstatus wie Pjotr Tschaikowskis lyrische Tragödie Eugen Onegin nach Alexander Puschkin, die von einer unglücklichen Liebe erzählt. At your Doorstep / Vor deiner Tür ist der Abschluss der Kammeropern-Reihe First Contact, die das Theater Bielefeld dank der Neue-Wege-Profilförderung des NRW Kultursekretariats und des Landes NRW ins Leben rufen konnte. Unter partizipativer Mitwirkung junger Autor*innen aus Bielefeld und Johannesburg entsteht ein Stück, das einen interkontinentalen Chatverlauf ins Dreidimensionale holt und die Lebenswirklichkeit zweier Jugendlicher in Mitteleuropa und Südafrika einander gegenüberstellt. Je ein*e Komponist*in aus Europa und Südafrika arbeiten bei der Vertonung eng zusammen. Der Clou: Die Aufführungen werden zeitgleich in Johannesburg und Bielefeld zu erleben sein und mit einem gemeinsamen Publikumsgespräch kombiniert. Anthropocene des schottischen Komponisten Stuart MacRae (Deutsche Erstaufführung) verhandelt in der Extremsituation einer im Eis gefangenen Expedition Aktuelles wie den Klimawandel und Archaisches wie eine Opferung. Der überbordenden Ideenfülle und bildgewaltig-suggestiven Sprache von Richard Wagners Parsifal begegnet das Theater Bielefeld mit einer visuell-musikalischen Auseinandersetzung: als Lichtspieloper in der Rudolf-Oetker- Halle. Zu guter Letzt trifft in Zazá von Ruggero Leoncavallo das Flair französischer Varietés auf sozialkritische Milieuschilderung, leidenschaftliche Emotion – und auf eine emanzipierte Titelfigur, die die häufig klischeehafte Darstellung liebender Frauen in der Oper weit hinter sich lässt. Ein Wiedersehen gibt es zudem mit Nadja Loschkys Inszenierung von Verdis Aida sowie Anna Bernreitners Sicht auf Mozarts Die Entführung aus dem Serail.
TANZ Bielefeld wird in der kommenden Spielzeit von einem Team bestehend aus Gianni Cuccaro, Sarah Deltenre, Alban Pinet und Kerstin Tölle geleitet. Für die in dieser Saison geplanten Produktionen werden Choreograf*innen nach Bielefeld kommen, die während der Intendanz von Michael Heicks prägend am Theater gearbeitet haben. Zu Beginn gibt es ein Wiedersehen mit Gregor Zöllig, der die Tanzsparte am Theater Bielefeld von 2005 bis 2015 geleitet hat. Seine Choreografie Winterreise, die er 2019 für sein Braunschweiger Ensemble kreiert hat, setzt er nun mit den Bielefelder Tänzer*innen um. Als musikalische Grundlage wählte er die 1993 uraufgeführte »komponierte Interpretation« von Hans Zender für Tenor und Orchester, die ganz neue Deutungsebenen auf Franz Schuberts Meisterwerk aufzeigt.
Das Publikum kann sich auf eine berührende Tanztheaterproduktion freuen, die zu einer fesselnden Reise einlädt. Für Land im Land, die letzte Uraufführung der Projektreihe D3 – Dance Discovers Digital, ist eine der aufregendsten Künstlerinnen der deutschen Performancelandschaft zu Gast in Bielefeld: Die Kölner Choreografin Stephanie Thiersch entwirft seit 20 Jahren interdisziplinäre Werke, die mit einer bunten Bildsprache die Grenzen zwischen Tanz, Schauspiel, Musik, Design und Architektur auf faszinierende Weise sprengen. An der Nahtstelle von Tanz und digitaler Medienkunst kreiert sie nun für TANZ Bielefeld ein vielschichtiges Stück, in dem die Frage nach Gemeinschaft in Zeiten von Digitalität im Zentrum ihrer Recherche steht. Mit Verkörpert folgen zwei Uraufführungen von Lali Ayguadé und Sharon Fridman, die dem Bielefelder Publikum bereits gut bekannt sind. Der israelische Tanzschaffende Fridman hat 2017 mit Stable sein erstes Stück für das Bielefelder Ensemble kreiert, während die katalanische Choreografin Ayguadé ein Jahr später mit Those Things That Are Hidden eine Antwort auf Gerhard Bohners Angst und Geometrie innerhalb des Programms Past Forward im Stadttheater präsentierte. Im Rahmen von Verkörpert richten sie ihren Fokus auf den Körper aus zwei verschiedenen Perspektiven: Fridman konzentriert sich in seiner Choreografie auf den Unter-, Ayguadé auf den Oberkörper. Zum Abschluss der Saison blicken die Bühnen und Orchester im Rahmen einer großen Tanzgala auf die letzten 18 Jahre Tanztheater am Theater Bielefeld zurück. Ein Wiedersehen mit Tänzer*innen und Tanzschaffenden aus dieser Zeit ist nicht ausgeschlossen. Die Tanzsparte ist außerdem an der spartenübergreifenden Produktion Moby Dick beteiligt.
Das Schauspiel beginnt die Saison mit einem Kampf gegen Windmühlen und bringt mit Don Quijote einen 400 Jahre alten Stoff um Wahrheit, Fantasie sowie das Ausleben derselben auf die Bühne. Eine Ehe an der Grenze des Zersprengens – darum geht es in Edward Albees Wer hat Angst vor Virginia Woolf, einem modernen Klassiker der amerikanischen Dramenliteratur. Die Held*innen in Löwenherzen, einem Stück der georgisch-deutschen Autorin Nino Haratischwili, sind Kinder. In Verhältnisse hineingeboren, die ihnen teilweise nicht mal eine Kindheit schenken, setzen sie der Einsamkeit, der Angst, der Armut und dem Schmerz mutig ihre Visionen und Hoffnungen entgegen: ein Stoff, der das Potential zu einem generationenübergreifenden Theatererlebnis hat. Keimzellen von Rébecca Déraspe, eine deutschsprachige Erstaufführung, ist ein Hohelied auf die Freundschaft: Schlagfertig und schlagkräftig, berührend und mitunter verletzend lässt die frankokanadische Dramatikerin ihre Protagonistinnen Lou und Aude aufeinanderprallen. Im Mittelpunkt des diesjährigen Familienstücks zur Weihnachtszeit steht eine liebenswerte Figur mit einer langen Nase: Pinocchio. Yasmina Rezas Stück Kunst zeichnet sich durch scharfe Dialoge aus, die nicht nur die Eigenheiten von Kunstgenuss zum Thema haben, sondern auch das Bild, das man vom anderen hat, unter die Lupe nimmt, und das nicht ohne Humor. Die deutsche Erstaufführung von Amanda Lasker-Berlins Ich, Wunderwerk und How much I love disturbing content befragt die Macht von Videobildern über unsere Art Welt zu erfahren und zu erinnern. Florian Zellers Stück Vater – letztes Jahr unter dem Titel The Father oscarprämiert verfilmt – versetzt die Zuschauer*innen in die Perspektive eines Demenzerkrankten. Saša Stanišić erzählt in seinem Roman Herkunft, für den er 2019 mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnet wurde, verschlungen und facettenreich Migrationsgeschichte vor dem Hintergrund des Balkankriegs. Die Komödie Der nackte Wahnsinn ist eine Liebeserklärung an das Theater und zeigt eine Truppe vor der Premiere, auf Tour und zur letzten Vorstellung.
Der Autor Michael Frayn feiert das Spiel mit wechselnden Perspektiven, das lustvolle Changieren zwischen Wahrheit und Fiktion und die Möglichkeit, befreit zu lachen. Im Bewusstsein darüber, dass gerade das Privateste besonders politisch ist, lässt die amerikanisch-deutsche Dramatikerin Patty Kim Hamilton in Sex Play, eine deutsche Erstaufführung, eine Vielzahl an Stimmen zu Wort kommen, die alle versuchen, sich mit ihren persönlichen Prägungen und Sehnsüchten in zeitgenössischen Narrativen von Sexualität zurechtzufinden. In Annette, ein Heldinnenepos (ausgezeichnet mit dem Deutschen Buchpreis 2020) erzählt Anne Weber vom politisch bewegten und bewegenden Leben der Anne Beaumanoir. Eine Geschichte von Mut und Solidarität in Zeiten von Krieg und Gewalt. Moby Dick ist eines der gewaltigsten Werke der Weltliteratur. Als spartenübergreifendes Spektakel mit Tanz, Schauspiel, Musik und Video kommt es am Theater Bielefeld auf die Bühne.
Der Regisseur Nils Zapfe schafft in der digital-theatralen Uraufführung Odditorium ein Portal für Fremdschaften auf der Bühne. Schließlich kooperiert die Sparte Spiel mit der Vermittlungssparte jungplusX und bringt Dawn Kings Das Tribunal zur Aufführung: In einer Klimadystopie werden zwölf Jugendliche zu Geschworenen in einem Gerichtsprozess benannt, der über Schuld oder Unschuld ihrer Elterngeneration befinden soll. Wie sieht die Zukunft für die verschiedenen Generationen aus? An diesem Abend stehen sie zusammen auf der Bühne. Gleich zu Beginn der Spielzeit ist das Schauspiel zudem an der spartenübergreifenden Produktion Berlin Alexanderplatz beteiligt. Als Wiederaufnahmen im Theater am Alten Markt sind Stolz und Vorurteil* (*oder so) und der Janis Joplin-Abend Cry Baby geplant.
Die Vermittlungsabteilung der Bühnen und Orchester der Stadt Bielefeld jungplusX ergänzt die Premieren der drei Sparten Musiktheater, Schauspiel und Tanz mit eigenen Produktionen. So finden auch in der kommenden Spielzeit unter dem Titel Schrittmacher drei Community-Dance-Projekte statt. Der erste Schrittmacher trägt den Titel Zu laut? Zu leise? Zu Was? Und setzt sich mit gesellschaftlichen Konventionen, deren Relevanz und dem Spannungsverhältnis von Nonkonformismus und Ja- Sagertum auseinander. Für das zweite Projekt Queer-Verbindungen sind Menschen aller sozialen Schichten und sexuellen Orientierungen eingeladen, um sich humorvoll mit dem Thema geschlechtlicher und sexueller Identität zu beschäftigen. In Kinder haften für ihre Eltern – dem dritten Schrittmacher – steht die Frage im Zentrum, wann sich die Verantwortlichkeit innerhalb einer Familie verschiebt und Eltern nicht mehr für ihre Kinder sorgen, sondern umgekehrt. Natürlich bringt auch der Jugendclub des Theaters wieder eine Produktion mit Aufführungsserie auf die Bühne des TAMZWEI/DREI. Wer eine Idee für einen Stoff oder ein Thema hat, kann sich für das Format jungplusX-Selbstauslöser bewerben, um dann mit professioneller Unterstützung eine eigene Inszenierung herauszubringen. Im November startet eine neue Schreib- und Theaterwerkstatt der Reihe Parallele Welten, in der Bielefelder* innen unterschiedlicher Herkunft und Generationen ihr eigenes Stück kreieren.
Schließlich heißt es vom 13. bis 16. Juni 2023 wieder Bühne frei für schulische Theaterensembles, die ihre Produktionen im Rahmen von PLAY! – Festival junges Theater im Theater am Alten Markt präsentieren können.
Das Spielzeitheft mit dem gesamten Programm der Saison 2022/23 ist voraussichtlich ab Ende Mai erhältlich. Der Kartenvorverkauf für die ersten Produktionen startet voraussichtlich Anfang Juni. In der kommenden Spielzeit bieten die Bühnen und Orchester wieder klassische Abonnements mit festen Terminen und Plätzen an, die ab Anfang Mai gebucht werden können.