Ein Gespräch mit dem Kabarettisten und Schauspieler Ingo Börchers aus Bielefeld
Wir trafen Ingo Börchers im Studio von kulturinfo-lippe zum Interview
kulturinfo-lippe = (KL)
Vita
Ingo Böchers. Jahrgang 1973. Geboren im niedersächsischen Dissen (Kreis Osnabrück). Groß geworden (immerhin 1,72m) in einer Gegend, in der man weiß, dass Agrarkultur nichts mit Bauerntheater zu tun hat. Nach Abitur (solider Notendurchschnitt von 2,6), Führerschein (nur einmal durchgefallen) und Seepferdchen (hatte mit Würde nicht mehr viel zu tun), Unterricht in Tanz, Pantomime und Schauspiel.
Prägend für Ingo Börchers ist sein Zivildienst im Büro für Umweltfragen (Bilanz dieser 18 Monate: Mindestens 20 Kröten vor dem Unfalltod bewahrt, 3 Fledermausfamilien umgesiedelt und zwei Motorsägen in Brand gesteckt – allerdings nicht mutwillig) sowie sein Studium der Germanistik (erfolgreich abgebrochen). In dieser Zeit erste Bühnenerfahrungen als Clown, Kleinkünstler und Kabarettist. Parallel dazu freie Mitarbeit für Hörfunk und diverse Printmedien.
1997 entsteht sein erstes Soloprogramm, mit dem er den ein oder anderen Achtungserfolg erzielt. Seither ist er auf den Bühnen dieser Republik, in Österreich und der Schweiz unterwegs. Wenn er nicht gerade mit seinen Soloprogrammen auf Tournee ist, freut er sich immer wieder auf und über die Zusammenarbeit mit dem WDR-Hörfunk. Mal in der Unterhaltung am Wochenende als Sidekick von Gastgeber Matthias Brodowy, mal als Moderator der Sendung Kluge Nacht, dem Science Slam auf WDR5.
Und an den Tagen, an denen Börchers nicht moderiert, konzipiert, gastiert oder von A nach B fährt, lebt er mit Frau und zwei Kindern in Bielefeld.
Fotos: Friedrich Merlin
KL: Wie bist Du zum Kabarett gekommem?
IB: Ich war nie der Klassenclown und habe mich nie in den Vordergrund gedrängt. Ich wollte eigentlich Journalist werden und habe für verschiedene Redaktionen als freier Mitarbeiter mein Unwesen getrieben und so bin ich über Glossen und Kolumnen eher ins komische Fach geraten. Das war so die eine Ecke, denn es gab kein Schlüsselerlebnis, das man sagen könnte: als ich den oder das sah wusste ich genau, dass Kabarett meine wahre Berufung war. Das Andere ist vielleicht mein Interesse für den Tanz. Ich habe mit 12/13 Jahren Ballett- und Stepptanzunterricht gehabt, doch durch eine Knieverletzung musste ich das Tanzen aufgeben. Aber durch das Ballett war die Nähe zur Bühne da und weil das Körperliche nicht mehr ging war das mehr ein Кompensationsgeschäft- möglicherweise.
KL: Dein Beruf hat ja viel mit Sprache und vor allem mit Deiner Einstellung zu tun. Es ist bewundernswert ganz allein auf einer Bühne zu stehen und stundenlang den Leuten Deine Meinung kundzutun, was ja einen großen Unterschied zu einem Schauspieler ist, der einen vorgefertigten Text interpretiert.
IB: Einen Text, den man nicht selbst verfasst hat muss man sich ganz anders erobern. Bei aller Verwandtschaft der beiden Berufe, sind sie doch zwei ganz verschiedene Paar Schuhe. Ich empfinde es leichter Texte zu präsentieren, die ich selbst verfasst habe. Schreiben und Texte interpretieren und präsentieren geschieht ja in Tateinheit. Alles was aus mir erwachsen ist muss ich mir ja nicht noch einmal erobern und zurückholen.
Aber mir sind auch Grenzen gesetzt. Kabarett ist eine Unterhaltungsform mit Kontextgrund d.h. Ich kann nur mit dem Erfahrungshorizont des Publikums arbeiten. Wenn ich zu lange die Pointe vorbereiten muss, dann funktioniert es nicht, ich weiß ja nicht welchen Wissensstand das Publikum hat. Ich bin auch einer von den Humorarbeitern die die Sprache auch gern verdichten. Es gibt ja verschiedene Zugänge. Da gibt es großartige Kolleginnen und Kollegen, die sehr gut in andere Personen schlüpfen und andere Charaktere darstellen können. Ich habe mich mit meiner Form von Kabarett dazu entschieden, das Bühnen-Ich und Privatmensch nahezu Eins zu Eins sind. Ich möchte den Text sprechen lassen ohne in andere Figuren zu schlüpfen und ich glaube es gibt Sequenzen, da muss man ganz hinter dem Text verschwinden, da geht es nur um Sprache und nicht mehr um mich. Es ist mir wichtig den interpretierten Text für sich stehen zu lassen und ich mich als Person zu entziehen. Mein Text „Deutschland“ ist so ein Beispiel, da geht es um Verdichtung von Sprache, da geht es dann einfach nicht mehr um mich. Ich mache dem Publikum Vorschläge, denn ich habe die Weisheit ja auch nicht mit Löffeln gegessen. Ich reklamiere ja keine Deutungshoheit für mich. Ich kann ja mehr Fragen formulieren als Antworten , das ist ja das Schöne am Kabarett, das ich mich zeitweise entziehen darf und trotzdem eine Bringschuld habe.
KL: Bist Du mehr Menschenfreund oder -feind?
IB: Ganz klar Menschenfreund. Ich zweifle eher an Strukturen, habe aber keine Freude daran Menschen persönlich anzugehen. Das ist nicht mein Weg.
KL: Daniel Düsentrieb des Kabaretts wirst Du genannt. Gefällt Dir bestimmt gut, oder?
IB: Das ist meinem Sprechtempo auf der Bühne geschuldet. Zum anderen kokettiere ich auch gerne mit meinem Halbwissen. Ein kleiner Klugscheißer und Faxentreiber in einer Person.Vielleicht habe ich deshalb diesen Stempel bekommen. :
KL: Woran arbeitest Du aktuell?
IB: Weiterhin an meinem aktuellen Programm „Die Würde des Menschen“.
Es wird regelmäßig aktualisiert und minimal verändert.Während der Coronazeit habe ich mit dem Theater Bielefeld kleine Videos gedreht mit dem Titel „Dem Ingo wird das Theater erklärt“, ähnlich dem Live-Format „Dem Ingo wird die Oper erklärt“. Dieses Format darf seit Kurzem endlich wieder vor echtem, leibhaftigen Publikum stattfinden. Dort darf ich der Dramaturgie und ausgesuchten Ensemblemitgliedern Fragen zum Stück und zur Inszenierung stellen. Gerne auch törichte Fragen. Was mir nicht schwer fällt. Denn ein Teil meines Erfolgs fußt ja auf gefährlichem Halbwissen. Mit dieser Fallhöhe spielte natürlich auch die Video-Reihe.
KL:. Diese Videos von ein paar Minuten Länge sind nicht nur humorvoll und lustig, wie Du da mit den Mitarbeitern des Bielefelder Theaters agierst. Die kleinen Filme sind außerdem sehr lehrreich. Selbst für einen alten Hasen wie mich.
KL: Was ist in Zukunft geplant?
IB: Neben meinen Soloauftritten freue ich mich auf und über ganz viele Veranstaltungen, die ich moderieren darf. Zudem wird es unter dem Titel „Herr Grosche und Herr Börchers“ erneut Ausflüge mit dem von mir sehr geschätzten Erwin Grosche geben.Außerdem gibt es eine Videoserie, die ich in Zusammenarbeit mit dem Weserrenaissance Museum in Lemgo gemacht habe. Dieses Mal wird dem Ingo also das Museum erklärt. In Kürze werden diese Filme auf der Website des Museums abrufbar sein.
Um die Person Ingo Börchers unseren Lesern näher zu bringen, stellten wir ihm einige persönliche Fragen.
KL:Dein größter Erfolg?
IB: Ich bin dankbar dafür, das ich mein Hobby zum Beruf machen konnte.
KL: Hast Du einen Lieblingsroman?
IB: Ich bin der Lyrik zugetan, vor allem Robert Gernhardt, Mitbegründer der „Neuen Frankfurter Schule“. Der Schriftsteller und Zeichner Gernhardt revolutionierte mit den Kollegen von „Pardon“ und „Titanic“ den deutschen Humor. Vor 15 Jahren starb er in seiner Wahlheimat Frankfurt/Main. Ich finde das der Lyrik im Literaturbetrieb zu wenig Hinwendung gezollt wird.
KL: Dein liebstes Gedicht?
IB: Morgenwonne von Joachim Ringelnatz: Ich bin so knallvergnügt erwacht. Ich klatsche meine Hüften. Das Wasser lockt….Bei all dem, was das böse Wort mit ‘C’ gerade mit uns anstellt, sind diese bedingunslos lebensbejahenden Zeilen geradezu ein Trost.
KL: Dein liebster bildender Künstler?
IB: Als Ostwestfale komme ich natürlich an dem großen Expressionisten aus Werther nicht vorbei: Peter August Böckstiegel. Darüber hinaus ist mir das Werk der Bielefelder Künstlerinnen Andrea Köhn und Yvonne van Huelsen sehr vertraut. Was ich damit auch sagen möchte: Spannende, relevante Kunst kann man mitunter auch vor der Haustür entdecken.
KL: Dein liebster Theater-Autor?
IB: Friedrich Dürrenmatt.
KL: Dein liebstes Theaterstück?
IB: Es würde mal wieder Zeit für die „Physiker“.
KL: Eine „Traum-Inszenierung“?
IB: Jede Inszenierung, die mich so fesselt, dass ich gar nicht mehr schaue, wie es gemacht ist.
KL: Wenn Geld keine Rolle spielen würde – wen würdest Du Dir mal gerne als Gast holen?
IB: Sicherlich niemanden, den ich nur durchs Geld überzeugen könnte.
KL: Dein schönstes Theatererlebnis der letzten Monate?
IB: Wenn ich ehrlich bin, das Weihnachtsmärchen „Räuber Hotzenplotz“, das 2020 in Zeiten großer Einschränkungen vom Theater Bielefeld gestreamt wurde. Ich saß mit der Familie vorm Bildschirm, freute mich und war gerührt, zumindest auf diese Weise das Stück erleben zu können. Zugleich wurde mir klar, wie schmerzlich ich Theater als Live-Erlebnis vermisse.
KL: Ein paar Vorlieben: Bier oder Wein?
IB: Wein. Am liebsten Weißburgunder aus dem Freiburger Raum.
KL: Kaffee oder Tee?
IB: Beides.
KL: Großstadt oder Land?
IB: zur Zeit Land.
KL: Porsche oder Fahrrad?
IB: Fahrrad.
KL: Regionale oder internationale Küche?
IB: Regionale Küche.
KL: Tatort oder Pilcher?
IB: Weder noch.
KL: Der liebste Film?
IB: Funny Bones.
KL: Bevorzugte Literatur?
IB: Im Augenblick mal wieder Schweizer Autoren. Das ist sicherlich auch der Tatsache geschuldet, dass ich durch zahlreiche Gastspiele unser Nachbarland gut kennenlernen durfte.
KL: Das liebste Musikstück?:
IB: Take five von Dave Brubeck
KL: Gibt es Hobbys außerhalb der Kunst?
IB: Kochen
Vielen Dank an Ingo Börchers für das Interview.
Anmerkung; Besuchen Sie auch die homepage von Ingo Börchers