Wolfgang Amadeus Mozart
Deutsches Singspiel in drei Aufzügen / Text nach Christoph Friedrich Bretzner von Johann Gottlieb Stephanie d. J. / Fassung von Anna Bernreitner / In deutscher Sprache mit Übertiteln
Musikalische Leitung Alexander Kalajdzic / Inszenierung Anna Bernreitner / Bühne und Kostüme Eva-Maria van Acker / Dramaturgie Anne Christine Oppermann / Choreinstudierung Hagen Enke / Mit Nikolaj A. Brucker / Yoshiaki Kimura / Dimitra Kotidou / Veronika Lee / Moon Soo Park / Andrei Skliarenko / Lorin Wey /
Bielefelder Opernchor / Statisterie des Theaters Bielefeld /
Weitere Termine 06.06. / 09.06. / 16.06. / 19.06. / Wiederaufnahme am 09.10.22 Karten T. 0521 51 5454 // www.theater-bielefeld.de
Fotos: Sarah Jonek
Eben noch schien das Leben von Konstanze und Belmonte bis ins Letzte vorhersehbar zu sein: Hochzeit, gesellschaftliches Ansehen, Kinder – folglich eine beständige Gemeinschaft, »bis dass der Tod euch scheidet«. Doch plötzlich steht alles in Frage und ein alternativer Lebensentwurf im Raum. Getrennt voneinander fühlen Konstanze und Belmonte sich zwar verloren, es quält die Sehnsucht nach dem anderen, aber auch die Frage: War es überhaupt Liebe – oder nur angenehme Gewohnheit? Durch die Begegnung mit der eigenen Seelenwelt wird das Paar fast mehr geängstigt als durch reale äußere Bedrohungen, wovon nicht nur die berühmte Marternarie Zeugnis ablegt. Und nicht nur diese beiden müssen sich im vielschichtigen Dickicht der Gefühle behaupten.
Bei allem humorvollen Unterhaltungswert zeichnet Wolfgang Amadeus Mozart in seinem 1782 uraufgeführten Singspiel Figuren von vielschichtiger Emotionalität. Um die Personen ihrer gewohnten Umwelt und den gesellschaftlichen Zwängen zu entreißen, versetzte der Komponist sie in das titelgebende Serail, einen Ort, in dem für Europäer fremde, undurchschaubare Regeln gelten, in dem angesichts realer oder imaginierter Todesnähe der Blick unweigerlich auf das eigene Selbst gelenkt wird, Verzweiflung und Euphorie nahtlos ineinander übergehen können.
Diese Gefühlswelt zu ergründen, ist auch das Anliegen von Regisseurin Anna Bernreitner und ihrer Bühnen- und Kostümbildnerin Eva-Maria van Acker. Statt eines realen Gefängnisses, aus dem es Versklavte zu befreien bzw. zu entführen gilt, nehmen sie die inneren Gefängnisse in den Blick. Welche Glaubenssätze, welche gesellschaftlichen Konventionen tragen die Figuren mit sich herum? In einem märchenhaften Wald, in dem Realismus und Illusion verschwimmen, werden alle mit ihren ureigenen Wünschen und Ängsten konfrontiert – und erhalten durch die Begegnung mit anderen die Chance, zu reifen und sich selbst zu befreien.
Als auseinandergerissenes Paar Konstanze und Belmonte stellen sich die griechische Koloratursopranistin Dimitra Kotidou und das neue Ensemblemitglied Andrei Skliarenko erstmals in Bielefeld vor. Ein Dritter in einer Zweierbeziehung wirkt oft wie ein Brandbeschleuniger: Der emotional aufbrausende Osmin (alternierend gesungen von Moon Soo Park und Yoshiaki Kimura) signalisiert starkes Interesse an Blonde (Veronika Lee), doch eigentlich gehört deren Herz seit Jahren schon Pedrillo (Lorin Wey). Oder vielleicht doch nicht? Und auch wenn Bassa Selim (Nikolaj A. Brucker) über den Ereignissen zu stehen scheint, trägt auch er noch die Verletzungen der Vergangenheit in sich.
Unter der musikalischen Leitung von GMD Alexander Kalajdzic spielen und singen die Bielefelder Philharmoniker, der Bielefelder Opernchor und die Statisterie des Theaters Bielefeld.
MUSIKALISCHE LEITUNG
Alexander Kalajdzic, geboren in Zagreb, Kroatien, begann seine musikalische Ausbildung mit sechs Jahren und gab ab dem achten Lebensjahr regelmäßig Konzerte als Pianist. Er gewann mehrere Preise bei Bundeswettbewerben und setzte anschließend sein Studium an der Musikhochschule in Wien fort, wo er die Dirigierklasse von Karl Österreicher mit Auszeichnung absolvierte. Darüber hinaus studierte er Klavier, Viola und Korrepetition. Schon während des Studiums dirigierte er Symphoniekonzerte mit den Zagreber Philharmonikern sowie dem Orchester des Kroatischen Rundfunks.
Sein beruflicher Weg führte ihn nach Krefeld-Mönchengladbach, wo er als Korrepetitor mit Dirigierverpflichtung erste Theatererfahrungen sammelte. Danach war er als Kapellmeister in München, als erster Dirigent des Nationaltheaters Weimar und von 2008 – 2010 als 1. Kapellmeister am Nationaltheater Mannheim tätig, wo er sich ein großes Repertoire erarbeiten konnte. Er gastierte u.a. in den USA, Mexiko, Südafrika, Italien, Frankreich, in der Schweiz und in Tschechien.
Alexander Kalajdzic ist sowohl in der Oper als auch im Konzertbereich gefragt. Sein Repertoire reicht vom frühen Barock bis zur Moderne, wobei sein besonderes Interesse der französischen Musik gilt. So führte er fast das gesamte Orchesterwerk von Ravel und Debussy mehrmals auf. Auch war er lange Zeit als Liedbegleiter und Kammermusiker aktiv und hatte bis vor kurzem einen Lehrstuhl für Orchestererziehung in Zagreb inne.
Alexander Kalajdzic leitet als GMD seit Spielzeitbeginn 2010/11 die musikalischen Geschicke des Theaters Bielefeld und der Bielefelder Philharmoniker.
INSZENIERUNG
Anna Bernreitner, geboren 1986, studierte Musiktheaterregie an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien bei Prof. Reto Nickler von 2006 – 2010, Abschluss mit Auszeichnung. Im Sommer 2011 gründete sie die Künstlergruppe OPER RUND UM, die es sich zum Ziel gesetzt hat, Opernproduktionen an ungewöhnlichen Orten zur Aufführung zu bringen. Seitdem produziert und inszeniert sie mit OPER RUND UM regelmäßig die verschiedensten Stücke an ausgefallenen Schauplätzen in ganz Österreich. Statt bloß Kulisse zu sein, steht der Aufführungsort mit der ausgesuchten Oper in Zusammenhang. Oberstes Ziel ist es, Oper lebendig zu machen. Für OPER RUND UM erhielt Bernreitner 2017 den Anerkennungspreis Kultur des Landes Niederösterreich, sowie den Österreichischen Musiktheaterpreis 2019.
Als Regieassistentin arbeitete sie vor allem mit Claus Guth und Barrie Kosky zusammen.
Von 2011 bis 2013 war sie an der Komischen Oper Berlin als Spielleiterin engagiert.
Seit 2013 arbeitete sie wiederholt als persönliche Regieassistentin von Claus Guth an der Staatsoper Berlin, am Theater an der Wien, an der Nationale Opera & Ballet Amsterdam und Opera national de Paris. Sie inszenierte am Theater an der Wien dreimal in Folge die Kinderoper. Bernreitner arbeitete wiederholt für das Wir sind Wien.Festival, für welches sie Opernproduktionen an öffentlichen Plätzen Wiens in Szene setzte. Sie leitete außerdem mehrmals Operncamps für die Salzburger Festspiele und inszenierte für die Jeunesse Wien, die Philharmonie Luxembourg und das Theater für Niedersachsen. 2021 erhielt sie den Götz-Friedrich-Preis für junge Opernregisseure und -regisseurinnen.
BÜHNE UND KOSTÜME
Eva-Maria van Acker studierte von 2004 bis 2007 Bildende Kunst in ihrer Heimatstadt Gent. Sie war Mitgründerin von The Common Room in Antwerpen, wo sie selbst ausstellte und Ausstellungen kuratierte. 2009 bis 2011 trat sie mit Kunstperformances in Belgien und den Niederlanden auf. An der Flämischen Oper Antwerpen/Gent assistierte sie Calixto Bieito, Michael Thalheimer und Mariame Clément.
Als Ausstattungsassistentin arbeitete sie u.a. mit Ingo Krügler und Jens Kilian, mit dem sie Le nozze di Figaro in Leipzig realisierte. Seit 2012 ist sie freischaffend als Bühnen- und Kostümbildnerin tätig, u.a. an der Flämischen Oper mit In Tussentijd und Assepoesters droom (Regie: Victoria Pfortmüller) sowie an der Oper Halle mit Pique Dame (Regie: Christian Schuller). Ihre Zusammenarbeit mit Robert Schuster führte sie neben anderen Stationen nach Frankfurt, Weimar und Freiburg. Mit Barbora Horáková Joly realisierte sie seit 2017 u.a. Pelléas et Mélisande (Oslo und Basel), L’Orfeo (Bilbao), La bella dormente nel bosco (Lyon) und L’enfant / Olympia (Wien). Künftige Arbeiten führen die beiden u.a. nach Wien und London.
BESETZUNG
KONSTANZE Dimitra Kotidou
BELMONTE Andrei Skliarenko
BLONDE Veronika Lee
PEDRILLO Lorin Wey
OSMIN Yoshiaki Kimura / Moon Soo Park
BASSA SELIM Nikolaj Alexander Brucker