Varietétheater sind in Sachen Unterhaltung nach wie vor beliebte Einrichtungen.
Sie sind eine Mischung zwischen Zirkus und moderner Performance, Revue und Musical, Theater und Cabaret wird geboten. Also für jeden Geschmack etwas.
„Hereinspaziert, hereinspaziert“, so lautete wohl vor 152 Jahren der Ruf in die Reithalle des Pferdehändlers Lözius in Halle-Saale. Er bot ab 1868 schon vorübergehend kleine Theaterstücke und zirkusähnliche Attraktionen.
Die Reithalle stand am Steintorplatz, den man gut zu Fuß in der Stadt erreichen konnte und dadurch war seiner Geschäftsidee gutes Gelingen garantiert.
Am 1. Februar 1889 eröffnete es als „Walhalla Varieté“. Ein dreiviertel Jahr vor dem berühmten „Moulin Rouge“ in Paris und im gleichen Jahr wie die Eröffnung des Eiffelturmes.
Man bot ein sogenanntes „Spezialitäten und Nummernprogramm“. Später wurden auch Operetten aufgeführt. Nach dem Ersten Weltkrieg gab es sogar Kinovorstellungen und eine Ringkampfarena.
Künstler wie Otto Reuter, Charlie Rivels, der berühmte Grock, Enrico Rastelli und viele andere gastierten im „Walhalla“.
„Solch ein Name passt nicht zu dem Klamauk, der hier geboten wird.“, lautete die Anweisung der Reichsartistenkammer in den 30er Jahren, den Namen „Walhalla“ abzulegen.
„Steintor- Varieté“ hieß es nun und heute können sich die Besucher in einer Ausstellung auf 10 Leuchttafeln über die Geschichte des Hauses informieren.
Von 1943 bis 1946 war das „Steintor“ geschlossen, öffnete aber bald seine Pforten wieder mit einem Revueprogramm. Das vielseitige Programm bietet Abwechslung in artistischen Darbietungen, Humor, Tanz, Musik und internationale Stars sind Publikumsmagneten.
Rudenz Schramm, der Betreiber des „Steintor- Varietés“ sagt, dass mit der Eröffnung des halleschen Varietés 1889 weltweit kein älteres zu finden ist, das noch steht.
Inzwischen ist das „Steintor“ umfassend renoviert worden. Die Fassade mit den Bleiglasfenstern und Stuckverzierungen von 1910 ist wieder hergestellt. Das Interieur mit einem dunkelblauen Sternengewölbe, Sitz- und Tischreihen wird einer der traditionsreichsten Revue- und Varietébühnen Deutschlands gerecht. Im hinteren Bereich gibt es ein weiteres Foyer, Fahrstühle und eine große Terrasse.
Das Programm umfasst ein Varietéprogramm nach Tradition, auch Bankette und Tanzveranstaltungen, zum Beispiel der jährliche Ball der Martin-Luther-Universität aber auch Stehkonzerte und Boxveranstaltungen.
Das berühmte Hamburger „Hansa-Theater“ wurde im März 1894 eröffnet und ist, entgegen der Information im Internet, also nicht das älteste Varieté Deutschlands.
Der Bierbrauer Paul Wilhelm Grell kaufte 1893 in St. Georg den Hansa-Concert-Saal und baute ihn zum Varietétheater um. Größen wie Hans Albers, die Comedien Harmonists, Harry Houdini, Josefine Baker und viele andere gastierten ab1927.
Durch Bombenangriffe wurde das Haus fast ganz zerstört.
Weiterhin blieb es in Familienbesitz. Der Sohn Grell baute wieder auf und ab 1953 wurden Showtheater und Gastronomie miteinander verbunden.
Die ersten Stars waren Catharina Valente und Siegfried und Roy.
In den 1990er Jahren schwanden die Besucherzahlen, weil das Viertel zum Drogen- und Rotlichtviertel wurde.
Der Steindamm 7 in St. Georg fiel in den Dornröschenschlaf bis zum 3.Januar 2009. Ein Langzeitexperiment wurde von den Intendanten Collien und Walter gestartet und sie schreiben die Geschichte des „Hansa-Theaters“ erfolgreich weiter.
Erstklassige Akrobatik und feinste Unterhaltungskunst internationaler Akteure sind zu sehen.
So bleibt ein Wahrzeichen Hamburgs der deutschen Varietélandschaft erhalten.
Das Berliner „Hansa-Theater“ war ebenfalls über 100 Jahre eine attraktive Adresse. Ein wunderbares Interieur mit Plüschsesseln, Stuckverzierungen, Kronleuchtern wurde 1999 noch einmal umfangreich renoviert. 2018 wurde bekannt, dass das „Hansa-Theater“ abgerissen wird, weil dort Wohnungen gebaut werden sollen.
Im Mai 2020 kam das traurige Ende. Das „Hansa“ Berlin wurde dem Erdboden gleichgemacht.
Sprechen wir vom „Friedrichstadt-Palast“ Berlin. Die Geschichte begann in einer Markthalle und wurde bald zu einem festen Zirkusgebäude umgebaut, das ab 1879 vom berühmten Zirkus Renz geführt wurde. Seine „Wassernummern“ konnte Renz durchführen, weil das Gebäude auf Pfählen stand und ein Arm der Panke darunter floss.
Der nächste Besitzer war Albert Schumann, der auf klassische Zirkusprogramme mit Pferdedressuren setzte.
Nach dem Ersten Weltkrieg übernahm Max Reinhardt das Gebäude und wollte eine Bühne für Klassiker nutzen. Es wurden Stützen und eine Stuckdecke eingebaut, um den Zirkus- und Markthallencharakter zu kaschieren. 1937 floh Max Reinhardt in die USA.
Die Zerstörung im Zweiten Weltkrieg durch Bombenabwürfe war auch hier so stark, dass man nur eine notdürftige Renovierung vornahm und später wurde das Gebäude abgerissen.
Am 27. April 1984 eröffnete das neue Haus, 200m vom alten entfernt, an der Friedrichstraße.
Die beliebte DDR-Sendung „Ein Kessel Buntes“ zog unzählige Zuschauer an. Künstler aus dem westlichen Ausland konnten im „Friedrichstadt-Palast“ gastieren.
Auch in einigen anderen Städten erfreuen Varietés die Besucher, doch hier sollte einmal für drei der traditionsreichsten Varietébühnen der Vorhang gehoben werden.
Sabine Penckwitt für kulturinfo-lippe