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Fotos: Annette Schäfer
kulturinfo-lippe = (KL)
Frank-Michael Erben = (FME)
kulturinfo-lippe besuchte Frank-Michael Erben im Proberaum des Detmolder Kammerorchesters in Detmold. Der 1965 in Leipzig geborene Frank-Michael Erben stand kulturinfo-lippe zu einem Interview zur Verfügung.
KL: Wie kommen Sie nach Detmold, Herr Erben?
FME Durch Alfredo Perl von der Hochschule für Musik, der vor 20 Jahren als Solist nach Leipzig kam, im Gewandhausorchester musizierte und im Duo mit mir Kammermusik spielte. Daraus ist eine Freundschaft erwachsen, die sich im Laufe der Zeit intensivierte. Wir musizieren auch regelmäßig miteinander und waren schon mit dem Gewandhausquartett auf Tournee. Vor zwei Jahren kam ich auf Einladung Perls zu einem Dirigat nach Detmold, um zum ersten Mal das DKO kennen zu lernen. Nach seiner Entscheidung, sich aus der Künstlerischen Leitung des DKOs zurück zu ziehen, haben wir diese Saison als Doppelspitze geplant, in der wir uns als Solisten und Dirigenten gegenseitig abwechseln.
Das ist der Stand der Dinge!
Perl hat in 10 Jahren bedeutende Spuren hinterlassen und da sagt man nicht so einfach „Auf Wiedersehen“. Er wird dem Orchester auch weiterhin zur Verfügung stehen und mit Sicherheit auch als Gast musizieren.
Ja, jetzt bin ich hier in Detmold!
Gestern Abend bin ich durch die Altstadt gegangen und staunte, was für schöne alte Gebäude hier stehen, eins sogar von 1547.
KL: Sie meinen die Adolfstraße.
FME: Ganz beeindruckend, ein Bilderbuchstädtchen. Das sieht in Leipzig anders aus, mit Jugendstil und Gründerzeit. Dort bin ich zur Schule gegangen und habe studiert.
KL: Ihre Eltern sind Musiker. Wie kamen Sie zur Musik und zum Geige spielen?
FME: Wie das so ist, man wächst so rein in die Musik. Gott sei Dank waren meine Eltern so klug und haben mir die Entscheidung überlassen, ob ich die Musik als Beruf ergreife. Man bekommt ein Instrument in die Hand, was ich mir selbst wählen konnte. Meine älteren Geschwister machten bereits Musik und ich wollte mitspielen. So kam im 5. Lebensjahr eine Geige ins Haus und bei der bin ich bis heute geblieben. Mit 7 Jahren habe ich an der Musikhochschule in Leipzig studiert. Da gab es zu DDR-Zeiten eine lobenswerte Einrichtung, eine sogenannte Kinderklasse, heute würde man Förderklasse für den Nachwuchs dazu sagen. Heute kommen jungen Menschen erst im höheren Alter mit 12, 13 oder 14 Jahren dorthin. Es war damals möglich, für begabte Kinder einen sehr guten Lehrer zu bekommen, der beides konnte, Studenten auszubilden wie auch mit Kindern gut umzugehen. Es ist etwas völlig anderes einem 5 oder 6 jährigen beizubringen, eine Geige zu halten und einen Bogen zu führen, als mit einem Studenten künstlerisch zu arbeiten. Es war eben ein anderer Lehrstil und ich hatte Glück, das Richtige zu treffen. Deshalb war es auch für mich nicht schwer, in Leipzig zu bleiben und das Studium mit dem Examen zu beenden. Mir bedeutet Musik Alles.
KL: Komponieren Sie selbst?
FME: Nein! (lacht) Ich muss ganz ehrlich sagen, als ich letzte Woche den „Werner Henze“ spielte, mit Klavier, Tonband und großem Orchester, eine ¾ Stunde lang, mit viel Lärm um Nichts: Komponieren ist nichts für mich. Trotzdem mit aller Ehrfurcht, Henze ist ein bedeutender Komponist. Ich habe ihn vor 20 Jahren kennen gelernt, das war noch unter Kurt Masur. Es wurde das gleiche Stück gespielt. Wir sind dann in die Geburtsstadt von Henze nach Gütersloh und weiter nach Köln gefahren und feierten große Erfolge. Wenn ich mich in die Lage von heutigen Komponisten versetzte, empfinde ich ein bisschen Mitleid. Die bedeutendsten Tonschöpfer der letzten 150 – 200 Jahre haben das Tonale völlig ausgeschöpft. Schönberg und Co. hatten an sich keine andere Möglichkeit als Abzubiegen. Leider ist die 12-Ton Musik eine Episode geblieben, es war eine Sackgasse. Man weiß heute scheinbar nicht so richtig, wie man instrumentiert, z.B. einer Geige Töne zu entlocken, anstatt sie zu schaben, kratzen oder zu klopfen.
Deshalb bin ich kein Komponist geworden!
KL: Was steht zurzeit gerade an?
FME: Ein schönes Leipziger Programm mit dem DKO. Ich bringe ein bisschen unser Tafelsilber mit nach Detmold. Auch bringe ich meinen Klang mit, den besonderen Klang, den das Leipziger Gewandhausorchester hat.
In der Woche danach gebe ich als Konzertmeister ein Konzert in der Hamburger Elbphilharmonie, von Mieczysław Weinberg aus seiner frühen Schaffensphase. In der letzten Woche bin ich wieder in Leipzig, auch wieder Weinberg, ein Trompetenkonzert mit Hakan Hardenberger und dann kommt die 9. Sinfonie von Beethoven. Im Januar geht es weiter mit dem Gewandhaus-Quartett.
Es ist das Übliche, es geht immer so weiter. Es wird nie langweilig durch die Unterschiedlichkeit der Aufgaben.
Jetzt bin ich hier in Detmold und dirigiere junge Leute, stelle fest wo Lücken vorhanden sind und wo ich helfen kann mit meiner 32 jährigen Erfahrung als Konzertmeister. Es ist ein Angebot an sie, aber kein Muss. Ich möchte sie pushen und mit positivem Druck an ihre Grenzen treiben. Auch ich habe auf Reisen immer meine Geige dabei und übe regelmäßig. Man muss die Dinge ja vorbereiten, was seine Zeit dauert.
Als ich mit 21 Jahren vorne auf dem ersten Stuhl landete, waren um mich herum alles grauhaarige Herrschaften. Nach und nach verabschiedeten sie sich in den Ruhestand und da begann erst der Umbruch, die Erneuerung. Viele junge Kollegen kamen. Ich gehöre jetzt altersmäßig zur „mittleren Etage“. Ich habe mich damals über die Bereitschaft der Älteren mir eine Chance zu geben gefreut, denn ich bin ja auf einer Stelle gestartet, wo man normalerweise kurz vor der Rente landet, wenn man sich hoch gearbeitet hat. In dem Sinne versuche ich diese Erfahrung weiter zu geben, eben nicht wie einer der diktiert, sondern der animiert.
KL: Wie ist es wenn man als Konzertmeister dirigiert?
FME: Als Dirigent habe ich das Ganze im Blick und nicht nur die 1.Violine. Viele Dirigenten haben zwar Ahnung von der Musik, wissen aber nicht wie sie es umsetzen sollen. Man müsste für Dirigenten an den Hochschulen ein zusätzliches Fach für Orchester-Psychologie anbieten, denn die „Peitsche, den Schlagstock“ können sie vergessen. Sie bekommen ein Orchester nur auf ihre Seite, durch Überzeugung, Kompetenz und Kraft. Ich hatte das Glück in 32 Jahren sehr gute Dirigenten zu erleben.
Um die Person Frank-Michael Erben unseren Lesern näher zu bringen, stellten wir ihm einige persönliche Fragen.
KL: Ein paar Vorlieben: Bier oder Wein?
FME: Beides
KL: Kaffee oder Tee?
FME: Beides
KL: Großstadt oder Land?
FME: Beides, ich wohne am Stadtrand von Leipzig.
KL: Porsche oder Fahrrad?
FME: Keine besondere Vorliebe, ich fahre einen alten Volvo.
KL: Regionale oder internationale Küche?
FME: Beides
KL: Tatort oder Pilcher?
FME: Weder noch
KL: Der liebste Film?
FME: Keiner
KL: Bevorzugte Literatur?
FME: Musikerbiographien, wenn sie gut geschrieben und recherchiert sind.
KL: Lieblingsmusik?
FME: Gibt es nicht.
KL: Die liebsten Musiker und Komponisten?
FME: Ich habe eine Schwäche für Beethoven, denn fast alles was er komponiert hat, haben wir gespielt und auch aufgenommen.
Da bekam ich einen Horizont, einen Rundumblick auf den Komponisten wie man es bei anderen vielleicht nicht haben kann. Beethoven hat diese ganze Dramatik, dieses Eckige, Unwirsche und die bewegende Innerlichkeit, die einen zu Tränen rührt. Er war ein Mensch der eigentlich kompliziert war, wenn man Tagebuch Berichte von Zeitzeugen liest.
Unglaublich!
KL: Das liebste Stück?
FME: Es ist genau wie bei der Küche, so ist es auch in der Musik, regional wie auch international.
KL: Gibt es Hobbys außerhalb der Kunst?
FME: Wandern.
Vielen Dank an den vielseitigen Musiker für das Interview.
Vita
Frank-Michael Erben entstammt einer Leipziger Musikerfamilie und begann im Alter von fünf Jahren mit dem Violinspiel. Nach Abschluss seines Studiums an der Leipziger Hochschule für Musik „Felix Mendelssohn Bartholdy“ wurde er, einundzwanzigjährig, zum 1. Konzertmeister des Gewandhausorchesters Leipzig gewählt. 2007 wurde er zum 1. Konzertmeister des Bayreuther Festspielorchesters berufen. Unter Dirigenten wie Sir Neville Mariner, Kurt Masur, Herbert Blomstedt und Riccardo Chailly spielte er u.a. Violinkonzerte von Mozart, Beethoven, Mendelssohn, Bruch, Tschaikowsky, Sibelius und trat mit namhaften Orchestern in Europa, dem Nahen Osten sowie Nord- und Südamerika auf. Seit 1993 führt Erben das traditionsreiche Gewandhaus-Quartett (gegründet 1808). Die Zeitschrift Klassik heute zählt das Quartett zu den „führenden Streichquartett-Ensembles der Welt“. Über 800 Konzerte führten das Quartett in viele Musikzentren Europas, nach Nord und Südamerika, Japan und China. Es konzertierte u.a. vor dem japanischen Kaiser Akihito, dem britischen Thronfolger Prinz Charles und gab Konzerte im Palacio Real (Madrid) auf einem von Antonio Stradivari gebauten Instrumentenquartett aus dem Besitz der spanischen Königsfamilie. 2012 wurde das Quartett zum Ehrenmitglied des Vereins des Bonner Beethoven Hauses gewählt, 2014 erhielt es den „Internationalen Mendelssohn Preis“ der Stadt Leipzig. Über 25 CD Aufnahmen und mehrere DVD Produktionen dokumentieren seine Arbeit und wurden u.a. mit dem Deutschen Schallplattenpreis ausgezeichnet. Gastdirigate führten Erben zum Leipziger und Hallenser Akademischen Orchester, dem Gewandhausorchester, dem Herzliya Chamber Orchestra (Israel), dem Royal Scottish National Orchestra, der Magdeburger Philharmonie sowie der musikalischen Komödie Leipzig. 2009 wählte ihn das Leipziger Symphonieorchester zu seinem Chefdirigenten. Diese Funktion hatte er bis 2014 inne. Der Künstler spielt auf einer Violine des italienischen Geigenbauers J. B. Guadagnini (Mailand) aus dem Jahre 1755.