Ein Gespräch mit dem GMD des Landestheaters Detmold Lutz Rademacher
über Ideen und neue Wege bis zur Spielzeit 2020/2021
Wie geht es Ihnen Herr Rademacher an diesem Freitagmorgen?
Danke gut! Der Freitagmorgen ist immer für mich ein besonderer Tag, denn da versuche ich um 9 Uhr zum Sport zu gehen. Da komme ich ganz gut in den Tag. Meine Tochter ist gerade in die Schule gekommen, da muss es morgens relativ früh los gehen.
Einige Worte zu ihrer Vertragsverlängerung.
Ich habe mit Freude der Vertragsverlängerung zugestimmt, die die Verantwortlichen ausgesprochen haben und wir haben uns sehr schnell und gut geeinigt. Ich fühle mich einfach sehr wohl hier und begrüße es, diese Arbeit fortsetzen zu können. Es sind schon viele Dinge angelegt, neue Wege im Konzertbereich zu gehen und da noch einen Schwerpunkt drauf zu legen mit „Akkordverdächtig“, was mit einem neuen Konzept beim Neujahrskonzert schon realisiert worden ist. Außerdem ist mir die zeitgenössische Musik wichtig. Es wäre schade gewesen, wenn das nur ein nur kurzer Kontakt gewesen wäre, zumal die Begegnung mit dem Publikum eine sehr Gute ist und immer besser wird. Ab der nächsten Saison werde ich versuchen, unsere Konzerttätigkeit auszubauen und möchte Konzerte im Theater anbieten. Für die Klangkultur des Orchesters ist es wichtig, nicht nur im Graben zu sitzen, und dem Detmolder Publikum möchte ich damit zeigen: Seht her, das ist Euer Symphonisches Orchester!
Das Orchester ist auf einem guten Weg. Wir hatten zum Saisonabschluss große Dinge mit dem Sinfoniekonzert im Konzerthaus und dem Konzert im Schlosshof gemacht. Das war für mich eine neue Erfahrung, da ich dort noch nie Musik gemacht habe. Das Programm war auf einen lauen Sommerabend ausgelegt, der dann aber doch nicht so lau war. Abends war es kalt aber trocken und ich war mit der Akustik ganz glücklich dort. Die Fürstenfamilie hat uns gut aufgenommen. Diese Openairkonzerte sollten unbedingt beibehalten werden, da sie auch von den Besuchern gut angenommen wurden. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Zusammenarbeit mit der Hochschule, die ich versuche immer weiter auszubauen. Mit Professor Thomas Grosse, Rektor der HFM Detmold, ist es eine angenehme Zusammenarbeit, der sehr offen für neue Formate ist, denn gerade bei großen Projekten ist eine Kooperation mit anderen Einrichtungen wichtig.
Warum gerade Detmold?
Ich mag das Detmolder Publikum, weil es treu ist und weil es – und das ist nicht selbstverständlich in einer vergleichsweise kleinen Stadt – neugierig ist. Natürlich hat man in Berlin, München oder Hamburg Publikum, das man mit neuer Musik erreicht. Das ist in kleineren Städten nicht selbstverständlich, dass wir sogar 2016 eine Uraufführung (Sogno d’ un mattino di primavera) machen konnten und dass wir auch dieses Jahr ein zeitgenössisches Werk, “Powder Her Face“ von dem britischen Komponisten Thomas Adés, im Programm haben.
Aber bitte nicht so anstrengend wie die „Elegie“, eine Oper von Henze.
(Rademacher lacht herzlich) Was finden Sie denn so anstrengend an der Elegie?
Unorthodox für mich als Musiker denn ich vermisse darin den Harmonieklang. Die Sänger singen für sich und die Musiker spielen für sich.
Kunst kommt ja auch von Wollen, das ist einfach Henzes Empfinden, das ist seine Musiksprache. Jede Zeit hat eine andere Musiksprache. Neben Reimann und Rihm ist Henze einer der deutschen Komponisten mit Namen und davon gibt es ja nicht so viele. Da bin ich gespannt, was Sie zu „Powder Her Face“, einer nicht ganz jugendfreien Oper, sagen werden. Die Oper wurde 1995 uraufgeführt. Sie hat wie bei Henze auch eine reduzierte Orchesterbesetzung mit sehr vielen Tangoelementen mit Akkordeon, Klarinette und Saxofon. Auch hier spielt das Schlagwerk eine große Rolle.
Gefällt auch dem neuen Intendanten Herrn Heckel dieses Programm?
Ja, wir haben schon einige Gespräche geführt. Ich bin sehr neugierig auf die Arbeit mit ihm, man muss nur sehen was er bereits gemacht hat. Dass er auch hier zeitgenössische Stücke auf das Programm setzt, wird sicher fortgesetzt. Ich kenne bereits das Pogramm, verrate es aber noch nicht. Herr Heckel wird es auf jeden Fall fortsetzen, ob er es ausbauen kann ist solch eine Sache,
denn Sie wissen ja, dass uns Einsparungen drohen. Wir hoffen sehr auf die Landesregierung ob der optimistischen Töne im Kulturbereich, aber bis jetzt ist noch kein Profil erkennbar. Kunst ist nicht umsonst! Die Gastsänger, die wir haben, kommen nicht, weil sie hier soviel Geld verdienen. Sie kommen, weil sie wissen, dass hier gute Arbeit gemacht wird und wir daher mit unserem Budget auskommen, da ist keine Luft mehr nach unten.
Sind Sie mit Ihrer Familie mittlerweile in Detmold angekommen?
Meine Familie und ich sind hier sehr angekommen. Den Koffer haben wir noch in Berlin und es ist ein gutes Gefühl, mal ab und zu hinzufahren, da meine Frau, die Schauspielerin Helene Grass, dort öfter zu tun hat. Wir führen ein Vagabundenleben. Meine Frau und ich sind viel unterwegs, sie für den WDR in Köln und in der Region für das Festival „Wege durch das Land“, dessen Leiterin sie ist. Es macht uns viel Spaß, dass wir gemeinsam in der Region im kulturellen Bereich arbeiten. Für meine Kinder ist Berlin Heimat, sie fühlen sich aber in Detmold sehr wohl. Die gewisse Offenheit von Berlin findet man in keiner anderen deutschen Großstadt, da passiert viel, da ist man neugierig und manchmal auch genervt. Weiter mit Detmold. Speziell vom Markt kann ich nur schwärmen, dort kaufe ich sehr gerne ein. Samstags treffe ich Leute, die ich kenne oder noch nicht. Das schätze ich sehr.
Jetzt kommen wir endlich zu Mahlers 2. Sinfonie, der Auferstehungssinfonie.
Das Stück ist hier in der Region noch nie gespielt worden, da es nicht den Raum, der groß genug wäre noch das Orchester dafür gibt. Das war ganz am Anfang meiner Amtszeit, dass ich dachte, es ist das Werk, mein Leib- und Magenstück, was ich mal immer dirigieren wollte. Und das hat auch eine Geschichte. Deshalb glaube ich, wenn man es das erste Mal hört und erlebt, dass es einen wirklich verändern kann. Ich habe das Stück vor langer Zeit im Lübecker Dom gehört und da war mir klar, dass ich das Dirigieren zu meinem Beruf machen würde. Es war für mich eine Offenbarung. Seit meinem Beginn als Dirigent hier in Detmold habe ich gedacht, dass es viel zu groß wäre, aber warum sollte ich nicht versuchen, es zusammen zu bekommen, viele Kräfte hier einzubinden. Es ist natürlich ein enormer organisatorischer Aufwand. Dabei kam mir das Lutherjahr sehr zupass und so wird eine große Vision Wirklichkeit. Durch die enge Zusammenarbeit der Städte Bad Salzuflen und Paderborn, der MarienKantorei Lemgo und des Landestheaters Detmold ist es möglich, dass die 2. Sinfonie von Gustav Mahler, erstmals in Bad Salzuflen, Lemgo und Paderborn aufgeführt wird. Realisiert werden kann dieses kulturelle Großereignis nur durch die enge Kooperation von Veranstaltern, Orchestern und Chören der Region sowie durch die Unterstützung öffentlicher, kirchlicher und privater Förderer. Mehr dazu in Kürze.
Vielen Dank, Herr Rademacher für dieses Gespräch.
Fotos zeigen GMD Lutz Rademacher bei der Probe zu „Mahler Zwo in OWL“